Zum Inhalt springen

Trump und Xi schalten Deutschland ab

Editorial.

Es ist ein Albtraum, der sich in Zeitlupe entfaltet: Montagebänder stehen still, Arbeiter werden in Kurzarbeit geschickt, und der Motor der deutschen Wirtschaft – die Autoindustrie – keucht auf den letzten Tropfen Halbleiter. Volkswagen, der Riese aus Wolfsburg, stoppt ab Mittwoch die Produktion des Golfs, gefolgt vom Tiguan und Touran. Zehntausende Jobs hängen in der Balance, und der Konzernchef Oliver Blume ringt mit einem Milliardenloch in der Kasse. Die Ursache? Ein simpler Chip – oder besser: ein geopolitisches Minenfeld, das von Donald Trump und Xi Jinping gelegt wurde. Deutschland, das Land der Ingenieure, wird abgeschaltet, weil zwei Supermächte ihre Schachfiguren bewegen, ohne Rücksicht auf die Bauern in Europa.

Die Fakten sind brutal und unbestritten: Nexperia, der niederländische Chip-Hersteller mit Wurzeln in Philips und nun in chinesischer Hand, sitzt im Zentrum des Sturms. Als Tochter der Wingtech Technology aus Shanghai liefert das Unternehmen jährlich Milliarden von „Chicken-Feed“-Chips – jenen unauffälligen Transistoren und Dioden, die in jedem Auto für Elektronik sorgen. Bis zu 40 Prozent des Automobilmarkts in diesem Segment hängen von Nexperia ab. Doch seit dem 4. Oktober 2025 verbietet China den Export dieser Komponenten aus seinen Fabriken in Guangdong – eine Reaktion auf den Druck aus Washington. Die niederländische Regierung hatte zuvor, auf US-Insistenz hin, die Kontrolle über Nexperia übernommen und den chinesischen CEO Zhang Xuezheng suspendiert. Trump, der ewige Deal-Maker, droht mit 100-prozentigen Zöllen auf chinesische Exporte und hat Wingtech schon lange auf seiner Entity List. Xi kontert mit Exportverboten – und Europa zahlt den Preis.

Das ist kein Zufall, sondern der Höhepunkt eines Krieges, der seit Jahren schwelt: der Chip-Krieg zwischen den USA und China. Seit Trumps erster Amtszeit 2018 hat Washington mit Sanktionen, Exportkontrollen und Tarifen (nun bis zu 145 Prozent) versucht, Chinas Aufstieg in der Halbleiterbranche zu bremsen. Peking antwortet mit Restriktionen auf seltene Erden und Legacy-Chips – genau jene Bausteine, die die Autoindustrie braucht. Die Folge? Globale Lieferketten zerreißen. Analysten prognostizieren einen Kontrakt des Halbleitermarkts um bis zu 34 Prozent bis 2026, mit Kaskadeneffekten auf Automobil, Telekom und Gesundheit. In Deutschland, wo die Autoindustrie 5,4 Millionen Jobs sichert und 10 Prozent des BIP ausmacht, ist das ein Erdbeben. VW, BMW, Mercedes und Audi stocken bereits – oder tun so, als ob nichts wäre, um Panik zu vermeiden. Aber die Bestände schrumpfen: Nur Wochen, bevor der Stillstand eintritt.

Schauen wir genauer hin: VW hatte den Produktionsstopp in Wolfsburg schon gestern intern kommuniziert, trotz offizieller Beteuerungen, die Bänder würden weiterlaufen. Der Konzern fehlt 11 Milliarden Euro für Investitionen in Elektroautos – Geld, das durch sinkende Nachfrage in USA und China ohnehin knapp war. Nun kommt der Chip-Hammer: Alternativen müssen getestet und zertifiziert werden, was Monate dauert. Emden, Hannover, Zwickau folgen Wolfsburg; nur Osnabrück läuft vorerst weiter. Die gesamte Branche bereitet Kurzarbeit vor – Gespräche mit den Arbeitsagenturen laufen. Und das in einer Zeit, in der Deutschland eh mit Rezessionsängsten ringt, der Energiewende stockt und die Wettbewerber aus China (BYD, XPeng) mit Subventionen und Billigbatterien die Märkte erobern.

Hier liegt die bittere Ironie: Deutschland, das sich als Brücke zwischen Ost und West sah, wird zum Kollateralschaden. Berlin hat jahrelang auf Diversifikation gedrängt – „China ist Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale“, hieß es in der Bundesregierungsstrategie von 2023. Doch die Realität? 80 Prozent der deutschen Halbleiterimporte stammen aus Asien, China produziert 95 Prozent der Gallium und Germanium, essenziell für Chips. Die EU-Chip-Act von 2023 mit 43 Milliarden Euro Investitionen? Zu langsam, zu bürokratisch. Bis dahin hängt Europa am Tropf der Supermächte. Trump priorisiert „America First“, Xi „Made in China 2025“. Die Niederlande, unser Nachbar, haben unter US-Drohung eingegriffen; nun büßen wir alle.

Die politischen Implikationen sind explosiv. Dies ist mehr als eine Lieferkrise – es ist ein Weckruf für Europas Souveränität. Trump und Xi nutzen die Tech-Dominanz als Waffe: Wer die Chips kontrolliert, diktiert die Regeln. Für Deutschland bedeutet das: Abhängigkeit tötet Wettbewerbsfähigkeit. Die Autoindustrie, einst Symbol für Ingenieurskunst, verliert Marktanteile an Tesla und chinesische EV-Riesen. Preise für Neuwagen steigen um 10–20 Prozent, Inflation treibt, Verbraucher leiden. Und geopolitisch? Der Handelskrieg eskaliert. Wenn keine Ausnahmen kommen, droht eine Kette von Stillständen: Von Wolfsburg bis München.

Was tun? Zuerst: Sofortmaßnahmen. Die EU muss Druck auf Den Haag und Peking ausüben, um Ausnahmen für Nexperia zu erzwingen – unter Berufung auf die WTO. Zweitens: Beschleunigung der Chip-Produktion. Die 150-Milliarden-Euro-EU-Initiative für Halbleiter muss priorisiert werden: Subventionen für TSMC, GlobalFoundries und einheimische Player wie Infineon. Drittens: Diversifikation pur. Keine Abhängigkeit mehr von einem Land oder einem Lieferanten. Partnerschaften mit Indien, Taiwan, Vietnam aufbauen – und eigene Legacy-Chips in Europa fertigen, statt alles aus China zu holen.

Trump und Xi schalten Deutschland ab Symbolbild Credits LabNews Media LLC

Langfristig braucht Deutschland Mut zur Kehrtwende. Die „Doppelstrategie“ – balancieren zwischen USA und China – hat versagt. Es geht um strategische Autonomie: Investitionen in Quantencomputing, KI und grüne Chips, unabhängig von Allianzen. Die Merz-Regierung muss den Auto-Job-Schutz mit Tech-Souveränität verknüpfen – oder riskiert, dass VW folgt, was Opel 2017 widerfuhr: Der Verlust von 35.000 Jobs. Und global? Trump und Xi sollten merken: Ihr Krieg schadet allen. Ein Waffenstillstand im Chip-Krieg würde Milliarden freisetzen – für Innovation, nicht für Sanktionen.

Deutschland kann nicht ewig der Leidtragende sein. Die Bänder in Wolfsburg dürfen nicht stillstehen, weil zwei Machthaber pokern. Es ist Zeit, den Stecker umzudrehen – und Europa selbst ans Netz zu schalten. Sonst wird der Motor der Wirtschaft nicht nur pausieren, sondern ersterben.

The Founder kommentierte


Entdecke mehr von LabNews

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Autoren-Avatar
LabNews Media LLC
LabNews: Biotech. Digital Health. Life Sciences. Pugnalom: Environmental News. Nature Conservation. Climate Change. augenauf.blog: Wir beobachten Missstände

1 Gedanke zu „Trump und Xi schalten Deutschland ab“

  1. Pingback: Editorial: Trump und Xi schalten Deutschland ab - augenauf.blog

Die Kommentare sind geschlossen.

Entdecke mehr von LabNews

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen