Ein schwerwiegender Vorfall in einer klinischen Studie des Biotechnologieunternehmens Rocket Pharmaceuticals, Inc. (NASDAQ: RCKT) hat weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung von Gentherapien zur Behandlung seltener Krankheiten. Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, verstarb ein Patient, der an der zulassungsrelevanten Phase-2-Studie für die experimentelle Gentherapie RP-A501 teilnahm, an Komplikationen im Zusammenhang mit einem Kapillarlecksyndrom. Dieses Syndrom, bei dem Plasma und Proteine aus den Blutgefäßen ins umliegende Gewebe austreten, führte bei dem Patienten später zu einer akuten systemischen Infektion, die tödlich endete. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA reagierte am Freitag, den 23. Mai 2025, mit einem sofortigen klinischen Stopp der Studie, um eine detaillierte Untersuchung des Vorfalls zu ermöglichen.
Details des Vorfalls
Die betroffene Studie untersucht RP-A501, eine Gentherapie zur Behandlung der Danon-Krankheit, einer seltenen genetischen Erkrankung, die durch Mutationen im LAMP2-Gen verursacht wird und zu schwerwiegenden Herz- und Muskelproblemen führt. RP-A501 nutzt einen adeno-assoziierten Virusvektor (AAV9), um ein funktionsfähiges Gen in die Zellen der Patienten einzubringen, mit dem Ziel, die zugrundeliegende genetische Ursache der Krankheit zu korrigieren. Die Therapie gilt als Pionierarbeit, da sie die erste Gentherapie ist, die in klinischen Studien für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung Sicherheit und Wirksamkeit gezeigt hat. Die FDA hat RP-A501 bereits den Status einer „Regenerative Medicine Advanced Therapy“ (RMAT) und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) den PRIority-MEdicines-Status (PRIME) verliehen, was die potenzielle Bedeutung der Therapie unterstreicht.
Der tödliche Vorfall ereignete sich nach der Einführung eines neuartigen Immunsuppressivums in das Vorbehandlungsregime der Studie. Dieses Mittel sollte die bei einigen Patienten beobachtete Komplementaktivierung – eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf den viralen Vektor – abmildern. Laut Rocket Pharmaceuticals ist dieses Immunsuppressivum einzigartig für das AAV9-Danon-Programm. Derzeit führt das Unternehmen eine umfassende Ursachenanalyse durch, in enger Zusammenarbeit mit der FDA, einem unabhängigen Datenüberwachungsausschuss, klinischen Forschern und wissenschaftlichen Experten. Ziel ist es, die genauen Umstände des Kapillarlecksyndroms und der anschließenden Infektion zu klären, um die Sicherheit zukünftiger Studien zu gewährleisten. Rocket hat die Verabreichung weiterer Dosen in der Studie freiwillig eingestellt, bevor die FDA den offiziellen Studienstopp verhängte.
Hintergrund: Gentherapie und ihre Herausforderungen
Gentherapien gelten als revolutionärer Ansatz in der Medizin, da sie die Möglichkeit bieten, genetische Erkrankungen direkt an der Wurzel zu behandeln, indem defekte Gene repariert oder ersetzt werden. Die Grundidee ist einfach: Ein intaktes Gen wird mithilfe eines viralen Vektors in die Zellen des Patienten eingeschleust, um die Funktion des defekten Gens wiederherzustellen. Doch die Umsetzung ist komplex und birgt Risiken, insbesondere durch die Immunreaktion des Körpers auf die verwendeten viralen Vektoren wie AAV9. Diese können Entzündungsreaktionen oder, wie im vorliegenden Fall, ein Kapillarlecksyndrom auslösen, das in seltenen Fällen lebensbedrohlich werden kann.
Das Kapillarlecksyndrom (CLS) ist eine seltene, aber ernste Komplikation, bei der die Durchlässigkeit der Kapillaren erhöht ist, was zu einem Austritt von Flüssigkeit und Proteinen ins Gewebe führt. Dies kann zu Schwellungen, Blutdruckabfall und Organversagen führen. In der Gentherapie wird CLS häufig mit hohen Dosen viraler Vektoren oder Immunreaktionen in Verbindung gebracht. Im Fall von RP-A501 wird vermutet, dass die hohe Dosis des AAV9-Vektors (6,7×10¹³ Genomkopien/kg) in Kombination mit dem neuen Immunsuppressivum eine Rolle gespielt haben könnte.
Rocket Pharmaceuticals ist ein führendes Unternehmen im Bereich der Gentherapie, das sich auf seltene Krankheiten spezialisiert hat. Neben RP-A501 entwickelt das Unternehmen Therapien für Erkrankungen wie Fanconi-Anämie, Leukozytenadhäsionsdefizienz-I (LAD-I) und Pyruvatkinase-Defizienz (PKD). Trotz des Rückschlags in der Danon-Studie meldete Rocket kürzlich vielversprechende Ergebnisse aus einer Phase-1-Studie für RP-A601, eine Gentherapie zur Behandlung der PKP2-arrhythmogenen Kardiomyopathie. Diese Studie zeigte Verbesserungen der Herzfunktion ohne dosislimitierende Toxizitäten, obwohl auch hier ein Patient schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit dem Immunsuppressionsschema erlitt.
Reaktionen und Marktauswirkungen
Der tödliche Vorfall und der anschließende Studienstopp hatten erhebliche Auswirkungen auf Rocket Pharmaceuticals. Die Aktie des Unternehmens fiel nach der Bekanntgabe um über 60 % im vorbörslichen Handel, was den erheblichen Druck auf das Unternehmen widerspiegelt, das laut InvestingPro-Daten bereits im vergangenen Jahr einen Wertverlust von über 70 % verzeichnete. Trotz des Rückschlags halten Analysten wie JPMorgan und Morgan Stanley an ihren Übergewichtungsratings für Rocket fest, mit Kurszielen von 44 bzw. 42 US-Dollar, was auf ein gewisses Vertrauen in die langfristigen Aussichten des Unternehmens hinweist. Cantor Fitzgerald erhöhte sein Kursziel sogar von 20 auf 30 US-Dollar, gestützt auf die positiven Daten aus der RP-A601-Studie.
Die FDA hat in den letzten Jahren mehrfach klinische Studien für Gentherapien gestoppt, wenn schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auftraten. Beispiele hierfür sind eine Phase-3-Studie zur Gentherapie der Hämophilie B von uniQure im Jahr 2021 nach einem Leberkrebsfall und eine Studie zur Adrenoleukodystrophie im selben Jahr. Diese Vorfälle verdeutlichen die Herausforderungen, denen sich die Gentherapiebranche gegenübersieht, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit viraler Vektoren und die Optimierung von Immunsuppressionsprotokollen.
Ausblick und Untersuchung
Rocket Pharmaceuticals arbeitet intensiv daran, die Ursachen des Vorfalls zu klären und die Studie so schnell wie möglich wieder aufzunehmen. Das Unternehmen verfügt über finanzielle Mittel in Höhe von 318,2 Millionen US-Dollar (Stand 31. März 2025), die den Betrieb bis 2027 sichern sollen, und plant, die Barausgaben zu reduzieren, um die finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Parallel dazu prüft Rocket strategische Optionen für seine Pipeline, um den Wert seiner AAV-Plattform zu maximieren.
Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Risiken und Potenziale der Gentherapie. Während die Technologie das Versprechen birgt, seltene Krankheiten wie die Danon-Krankheit zu heilen, erfordert sie eine sorgfältige Balance zwischen Wirksamkeit und Sicherheit. Die Untersuchung des Kapillarlecksyndroms und die Rolle des neuartigen Immunsuppressivums könnten wichtige Erkenntnisse für die gesamte Branche liefern. Bis die Ergebnisse vorliegen, bleibt die Zukunft von RP-A501 ungewiss, doch Rocket bleibt optimistisch, dass die Zusammenarbeit mit der FDA und Experten den Weg für eine sichere Fortsetzung der Studie ebnen wird.
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