Chicago, 8. Juli 2025 – Forscher der University of Chicago haben einen bahnbrechenden Fortschritt in der Krebserkennung erzielt: Einen neuen Flüssigbiopsietest, der RNA-Modifikationen nutzt, um Darmkrebs bereits in den frühesten Stadien mit einer beeindruckenden Genauigkeit von 95 % zu diagnostizieren. Die Ergebnisse der Studie, die in der renommierten Zeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht wurden, könnten die Früherkennung von Krebs revolutionieren und die Behandlungschancen für Patienten weltweit erheblich verbessern. Die Forschung, geleitet von Dr. Chuan He, John T. Wilson Distinguished Service Professor für Chemie, markiert den ersten Einsatz von RNA-Modifikationen als Biomarker für Krebs und zeigt eine deutliche Verbesserung gegenüber bestehenden nicht-invasiven Diagnosemethoden.
Flüssigbiopsien, die Krebs durch eine einfache Blutprobe nachweisen, gelten als vielversprechende Alternative zu invasiven Gewebebiopsien. Während herkömmliche Flüssigbiopsien zirkulierende zellfreie DNA (cfDNA) analysieren, stoßen sie in frühen Krebsstadien an Grenzen, da Tumorzellen zu diesem Zeitpunkt nur wenig DNA in den Blutkreislauf abgeben. „Die geringe Menge an Tumor-DNA im Blut war eine große Hürde für die Früherkennung“, erklärte Dr. He. „Deshalb haben wir uns auf RNA konzentriert, die ein sensitiverer Indikator für Zellaktivität ist.“ Im Gegensatz zu DNA, die statische genetische Informationen enthält, spiegelt RNA die dynamische Aktivität von Zellen wider, da sie Anweisungen zur Proteinproduktion liefert.
Das Forschungsteam, darunter Doktorand Cheng-Wei Ju und Dr. Li-Sheng Zhang, derzeit an der Hong Kong University of Science and Technology, entwickelte einen innovativen Ansatz, der zirkulierende zellfreie RNA (cfRNA) anstelle von cfDNA untersucht. Anstatt die bloße Menge an RNA zu messen, die stark schwanken kann, konzentrierten sich die Wissenschaftler auf RNA-Modifikationen – chemische Veränderungen, die die Aktivität von RNA-Molekülen beeinflussen. Diese Modifikationen bleiben stabil, unabhängig von der RNA-Menge, und bieten daher einen zuverlässigen Biomarker. „Die Stabilität der RNA-Modifikationen macht sie zu einem idealen Kandidaten für die Diagnostik“, betonte Dr. He. „Ob wir 100 oder 1.000 RNA-Kopien messen, der Modifikationsgrad bleibt konstant.“
Ein überraschender Fund der Studie war die Entdeckung, dass nicht nur RNA von menschlichen Zellen, sondern auch RNA von Darmmikroben als Indikator für Krebs dient. Das menschliche Mikrobiom, bestehend aus Milliarden Bakterien im Verdauungstrakt, verändert sich bei Vorhandensein eines Tumors erheblich. „Wenn ein Tumor im Darm wächst, reagiert das Mikrobiom mit Entzündungen und einer Umstrukturierung“, erläuterte Dr. He. Da Mikroben sich schneller erneuern als menschliche Zellen, geben sie häufiger RNA-Fragmente in den Blutkreislauf ab, was die Früherkennung erleichtert. Diese mikrobiellen RNA-Modifikationen unterscheiden sich deutlich zwischen Krebspatienten und gesunden Personen, was den Test besonders sensitiv macht.
Die Studie nutzte Blutproben von Darmkrebspatienten, die von Dr. Marc Bissonnette, einem erfahrenen Gastroenterologen an der University of Chicago, bereitgestellt wurden. Im Vergleich zu kommerziellen Tests, die in frühen Krebsstadien oft nur eine Genauigkeit von unter 50 % erreichen, zeigte der neue Test eine nahezu beispiellose Präzision von 95 %, selbst in den Stadien I und II. „Dies ist das erste Mal, dass RNA-Modifikationen als Biomarker für Krebs eingesetzt wurden“, sagte Dr. He. „Sie sind deutlich zuverlässiger und sensitiver als die Messung der RNA-Menge.“ Der Test übertrifft auch bestehende nicht-invasive Methoden wie Stuhltests, die in frühen Stadien oft unzuverlässig sind.
Die Forschung wurde von mehreren Institutionen unterstützt, darunter das Ludwig Center for Metastasis der University of Chicago, die Rolfe Pancreatic Cancer Foundation, die National Institutes of Health (NIH), der Hong Kong Research Grants Council und das Howard Hughes Medical Institute. Die Studie mit dem Titel „Modifikationen von mikrobiom-abgeleiteter zellfreier RNA im Plasma unterscheiden Dickdarmkrebsproben“ umfasste Beiträge von Forschern aus den USA, China und Hongkong, darunter Ruitu Lyu, Han Li und Jiangbo Wei von der University of Chicago sowie Shenghai Shen von der Hong Kong University of Science and Technology.
Die Ergebnisse haben weitreichende Implikationen für die Krebserkennung. Darmkrebs ist weltweit die dritthäufigste Krebsart, mit etwa 1,9 Millionen neuen Fällen jährlich, laut der Weltgesundheitsorganisation. Eine frühe Diagnose erhöht die Heilungschancen erheblich, doch viele Fälle werden erst in späteren Stadien entdeckt, wenn die Behandlung schwieriger ist. Der neue Test könnte dies ändern, indem er Ärzten ein nicht-invasives, hochpräzises Werkzeug an die Hand gibt, das in Routineuntersuchungen eingesetzt werden kann. „Die Fähigkeit, Krebs in den frühesten Stadien zuverlässig zu erkennen, ist ein Durchbruch“, betonte Dr. He.
Die Veröffentlichung der Studie löste auf Plattformen wie X sofort große Aufmerksamkeit aus. Nutzer wie @kgusler hoben die 95-prozentige Genauigkeit des Tests hervor, während @ScienceBlogTwit die Rolle des Mikrobioms in der Diagnostik betonte. Die wissenschaftliche Gemeinschaft sieht in dem Ansatz Potenzial, ihn auf andere Krebsarten wie Lungen- oder Brustkrebs auszudehnen, da RNA-Modifikationen ein universeller Marker für Zellveränderungen sein könnten. „Dies könnte der Beginn einer neuen Ära in der Krebsdiagnostik sein“, kommentierte ein unabhängiger Experte auf X.
Die Forscher planen nun, den Test in größeren klinischen Studien zu validieren und die Anwendung auf andere Krebsarten zu untersuchen. Langfristig könnte der Test in bestehende Screening-Programme integriert werden, um die Früherkennung zu verbessern und die Krebssterblichkeit zu senken. „Unser Ziel ist es, diese Technologie so schnell wie möglich in die Klinik zu bringen“, sagte Dr. He. „Sie hat das Potenzial, Leben zu retten.“
Quelle:
DOI: 10.1038/s41587-025-02731-8
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