Eine neue Studie, finanziert vom US-Gesundheitsministerium, unterstreicht die entscheidende Rolle von Haftanstalten bei der Bekämpfung der Opioidkrise. Personen mit Opioidabhängigkeit, die während ihrer Inhaftierung Medikamente zur Behandlung der Störung erhalten, weisen nach der Entlassung eine deutlich höhere Fortsetzung der Therapie auf und haben ein geringeres Risiko für tödliche Überdosierungen sowie Rückfälle in die Kriminalität. Die Ergebnisse, die aus einer Analyse von Daten aus Massachusetts stammen, könnten als Vorbild für bundesweite Reformen dienen und betonen die Notwendigkeit, Behandlungsangebote in Justizvollzugsanstalten auszubauen.
Die Untersuchung, die in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine erschienen ist, basiert auf den Erfahrungen von 6.400 Insassen mit vermuteter Opioidabhängigkeit. Diese Personen waren zwischen September 2019 und Dezember 2020 in sieben Bezirksgefängnissen des Bundesstaates Massachusetts untergebracht. Etwa 42 Prozent der Betroffenen erhielten während ihrer Haft Medikamente gegen die Opioidstörung, während 58 Prozent auf eine solche Behandlung verzichten mussten. Die Forscher verfolgten die Teilnehmer bis zu sechs Monate nach ihrer Freilassung und erfassten Aspekte wie Therapiekontinuität, Überdosierungen, Sterbefälle und erneute Inhaftierungen.
Die Daten zeigten klare Vorteile für die Behandelten: Innerhalb der ersten 30 Tage nach der Entlassung begannen 60,2 Prozent derjenigen, die in der Haft Medikamente erhalten hatten, eine ambulante Therapie in der Gemeinde, im Vergleich zu nur 17,6 Prozent bei den Unbehandelten. In den ersten 90 Tagen hielten 50 Prozent der Behandelten an der Medikation fest, soweit sie für mindestens 75 Prozent der Zeit abgedeckt war, gegenüber 12,3 Prozent in der Kontrollgruppe. Sechs Monate nach der Freilassung setzten 57,5 Prozent der ehemals Behandelten ihre Therapie fort, doppelt so viele wie in der unbehandelten Gruppe mit 22,8 Prozent.
Die Medikamente, die hauptsächlich eingesetzt wurden, umfassten Buprenorphin als häufigste Option mit 67,9 Prozent, gefolgt von Methadon mit 25,7 Prozent und Naltrexon mit 6,5 Prozent. Diese evidenzbasierten Präparate, die von der US-Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde zugelassen sind, halfen nicht nur bei der Stabilisierung der Abhängigkeit, sondern wirkten sich auch auf die Gesundheit und das soziale Umfeld aus. Die Studie ergab ein 52-prozentiges geringeres Risiko für tödliche Opioidüberdosierungen, ein 24-prozentiges für nicht-tödliche Überdosierungen, ein 56-prozentiges für Sterbefälle aller Ursachen und ein 12-prozentiges für erneute Inhaftierungen bei den Behandelten im Vergleich zu den Unbehandelten.
Hintergrund der Untersuchung ist das Pilotprogramm in Massachusetts, das 2018 durch ein Staatsgesetz eingeführt wurde. Dieses Mandat verpflichtet fünf Bezirksgefängnisse, alle zugelassenen Medikamente gegen Opioidabhängigkeit anzubieten, wobei zwei weitere Einrichtungen freiwillig beitraten. Das Programm stellt sicher, dass laufende Behandlungen fortgesetzt werden, neue Therapien vor der Entlassung begonnen werden können und eine nahtlose Übergabe in die ambulante Versorgung erfolgt. Die Bewertung erfolgte in Kooperation zwischen dem Massachusetts Department of Public Health, dem Massachusetts Justice Community Opioid Innovation Network und den beteiligten Gefängnissen. Die Daten stammen aus direkten Angaben der Insassen, administrativen und klinischen Aufzeichnungen sowie dem Massachusetts Public Health Data Warehouse, das über 35 staatliche Datenbanken verknüpft, um Behandlungen, Inhaftierungen, Sterblichkeit und andere Gesundheitsindikatoren zu tracken.
Die Opioidkrise in den USA bleibt eine der drängendsten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit. Im Jahr 2024 starben allein durch Überdosierungen mehr als 80.000 Menschen, und Betroffene mit Opioidabhängigkeit sind in Haftanstalten überproportional vertreten. Dennoch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten gegen die Störung in nur etwa 13 Prozent der US-Gefängnisse gegeben, oft beschränkt auf spezielle Gruppen wie schwangere Frauen. Dieser Mangel führt zu erzwungenen Entzügen, die die Toleranz gegenüber Opioiden mindern und das Risiko für Rückfälle und tödliche Überdosierungen nach der Entlassung massiv erhöhen. In Massachusetts hat sich die Zahl tödlicher Opioidüberdosierungen in den letzten zwei Jahrzehnten vervierfacht, was den Staat besonders hart trifft.
Die Studie wurde vom Justice Community Opioid Innovation Network (JCOIN) unterstützt, einem landesweiten Forschungsnetzwerk, das Strategien zur Erweiterung von Behandlungen und Genesungsangeboten für Straftäter mit Opioidabhängigkeit testet. JCOIN wird vom National Institute on Drug Abuse (NIDA), einem Teil der National Institutes of Health (NIH), im Rahmen der Initiative „Helping to End Addiction Long-term“ finanziert. Die Ergebnisse unterstreichen, dass Haftanstalten als zentrale Interventionstellen in der Opioidbekämpfung dienen können, indem sie nicht nur Leben retten, sondern auch den Kreislauf aus Abhängigkeit und Kriminalität unterbrechen.
Experten sehen in den Befunden einen Aufruf zur bundesweiten Skalierung solcher Programme. Weitere Untersuchungen sollten prüfen, ob die Ergebnisse auf andere Strafvollzugssysteme übertragbar sind, wie sich Effekte auf verschiedene Bevölkerungsgruppen auswirken und welche Strategien die Umsetzung in Haftanstalten am effektivsten machen. Das NIDA, das weltweit einen Großteil der Forschung zu Drogenabhängigkeit leitet, betont die Notwendigkeit, Politik und Praxis durch solche Erkenntnisse zu informieren.
Betroffene und Angehörige können Unterstützung über die nationale Helpline unter der Nummer 1-800-662-HELP oder auf Plattformen wie FindTreatment.gov und FindSupport.gov erhalten. Die NIH, als zentrale Forschungsbehörde des US-Gesundheitsministeriums mit 27 Instituten, treibt die Erforschung von Ursachen, Behandlungen und Präventionen für Krankheiten voran.
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