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Los Angeles: Trump riskiert den Calexit

Los Angeles, 8. Juni 2025 – In der kalifornischen Metropole Los Angeles toben seit Tagen heftige Proteste, die durch die Festnahme von über 40 mutmaßlich illegalen Einwanderern durch die US-Grenzschutzbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) ausgelöst wurden. Die Einsätze der Behörde, die unter der Regierung von Präsident Donald Trump verschärft wurden, haben zu massiven Demonstrationen geführt, die teilweise in Gewalt umgeschlagen sind. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom droht indes mit drastischen Maßnahmen, darunter die Einstellung finanzieller Mittel für die Bundesregierung, während Trump die Entsendung der Nationalgarde angekündigt hat, um die Unruhen zu unterdrücken. Diese eskalierende Konfrontation zwischen dem Bundesstaat und der Bundesregierung wirft erneut die Frage auf, ob Kalifornien, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, einen Austritt aus den Vereinigten Staaten anstreben könnte. Ein solches Szenario hätte weitreichende Folgen für die globale Wirtschaft, von Handelsströmen über Finanzmärkte bis hin zur geopolitischen Stabilität.

Calexit 2025 unwahrscheinlich aber möglich Symbolbild Credits Pexels

Eskalation in Los Angeles: Ein neuer Höhepunkt im Konflikt

Die jüngsten Ereignisse in Los Angeles markieren einen neuen Tiefpunkt im ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Kalifornien und der Bundesregierung. Am 7. Juni 2025 nahm ICE in mehreren Stadtteilen von Los Angeles Dutzende Personen fest, denen illegale Einwanderung vorgeworfen wird. Die Razzien, die laut Kritikern unverhältnismäßig und ohne ausreichende rechtliche Grundlage durchgeführt wurden, lösten sofort Proteste aus. Demonstranten, darunter Aktivisten für Einwanderungsrechte und lokale Gemeindemitglieder, versammelten sich vor den Büros der Behörde und blockierten Straßen in Downtown Los Angeles. Die Situation eskalierte, als die Polizei gewaltsam gegen die Proteste vorging, was zu Verletzten und zahlreichen Festnahmen führte.

Berichte von Augenzeugen und lokalen Medien beschreiben Szenen von Chaos, mit brennenden Barrikaden und Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, verurteilte das Vorgehen der Polizei und forderte eine Untersuchung der Vorfälle. Gleichzeitig kündigte Präsident Trump an, die Nationalgarde nach Los Angeles zu entsenden, um „Unruhen und Plünderer“ zu bekämpfen – ein Schritt, der ohne Zustimmung der kalifornischen Regierung erfolgt und die Spannungen weiter verschärft. Gouverneur Newsom drohte daraufhin, sämtliche finanzielle Unterstützung für Bundesprogramme einzustellen, sollte die Bundesregierung ihre „repressive Politik“ fortsetzen. Diese Drohung ist nicht nur symbolisch: Kalifornien trägt mit einem Anteil von etwa 14 Prozent erheblich zum US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und finanziert einen bedeutenden Teil des Bundeshaushalts.

Die Proteste in Los Angeles sind kein Einzelfall, sondern Teil einer längeren Geschichte von Spannungen zwischen Kalifornien und der Bundesregierung, insbesondere unter republikanischen Präsidenten. Schon 2017, während Trumps erster Amtszeit, gab es in Kalifornien Demonstrationen gegen seine Einwanderungspolitik, und der Bundesstaat positionierte sich als „Sanctuary State“, der sich weigert, mit Bundesbehörden bei der Abschiebung illegaler Einwanderer zusammenzuarbeiten. Die erneute Eskalation zeigt, dass die ideologischen und politischen Gräben tiefer geworden sind, was Spekulationen über einen möglichen Austritt Kaliforniens aus den USA – oft als „Calexit“ bezeichnet – erneut befeuert.

Calexit: Eine reale Option oder politische Provokation?

Die Idee eines kalifornischen Austritts aus den Vereinigten Staaten ist nicht neu. Bereits 2016, nach der Wahl von Donald Trump, gewann die Bewegung „Yes California“ an Aufmerksamkeit, die ein Referendum über die Unabhängigkeit Kaliforniens anstrebte. Damals sammelte die Gruppe Unterschriften, scheiterte jedoch an rechtlichen und organisatorischen Hürden. 2017 berichtete die Süddeutsche Zeitung über Proteste in Los Angeles und San Francisco, bei denen Tausende für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump demonstrierten und die Idee eines Austritts als Akt des Widerstands gegen die Bundesregierung diskutiert wurde. Obwohl ein Austritt rechtlich und politisch unrealistisch erschien, wurde er als Symbol für Kaliforniens Rebellion gegen Washington genutzt.

Heute, im Jahr 2025, ist die Diskussion um Calexit wieder aufgeflammt, gestützt durch die jüngsten Ereignisse in Los Angeles und die aggressive Rhetorik beider Seiten. Kalifornien ist wirtschaftlich, kulturell und demografisch ein Gigant: Mit einem Bruttosozialprodukt von 4,172 Billionen Dollar im vierten Quartal 2024 ist der Bundesstaat die größte Volkswirtschaft der USA und würde als eigenständiges Land weltweit an vierter Stelle hinter Deutschland und vor Japan rangieren. Der Bundesstaat ist Heimat von Hollywood, dem Silicon Valley und dem verkehrsreichsten Hafen der USA in Los Angeles, der rund 40 Prozent der US-Importe abwickelt. Diese wirtschaftliche Stärke verleiht Kalifornien ein Selbstbewusstsein, das die Idee eines Austritts zumindest theoretisch denkbar macht.

Rechtlich ist ein Austritt jedoch äußerst kompliziert. Die Verfassung der Vereinigten Staaten enthält keine Bestimmung, die es einem Bundesstaat erlaubt, einseitig auszutreten. Der Sezessionskrieg (1861–1865) setzte einen Präzedenzfall, dass die Union unteilbar ist, und ein Austritt Kaliforniens würde die Zustimmung des Kongresses sowie der anderen Bundesstaaten erfordern – ein nahezu unüberwindbares Hindernis. Zudem ist Kalifornien trotz seiner wirtschaftlichen Stärke auf Bundeshilfen angewiesen: Rund 30 Prozent des Staatshaushalts werden durch Bundesmittel finanziert, wie das Handelsblatt 2025 berichtete. Ein Austritt würde diese Finanzierung gefährden und Kalifornien vor enorme fiskalische Herausforderungen stellen.

Politisch ist die Unterstützung für Calexit begrenzt. Während Kalifornien eine Hochburg der Demokraten ist und seit 1992 bei Präsidentschaftswahlen durchgehend demokratisch wählt, ist die Bevölkerung gespalten. Umfragen aus dem Jahr 2023 zeigten, dass nur etwa 20 Prozent der Kalifornier einen Austritt unterstützen würden. Viele sehen die Idee als Ausdruck von Frustration über die Bundespolitik, nicht als realistisches Ziel. Dennoch nutzen Politiker wie Newsom die Drohung mit Unabhängigkeit, um Druck auf Washington auszuüben und die liberale Basis im Bundesstaat zu mobilisieren.

Globale wirtschaftliche Folgen eines hypothetischen Calexit

Sollte Kalifornien entgegen aller Wahrscheinlichkeit aus den USA austreten, wären die Folgen für die globale Wirtschaft dramatisch. Kalifornien ist nicht nur ein wirtschaftliches Kraftzentrum, sondern auch ein Knotenpunkt in globalen Lieferketten, Finanzmärkten und Innovationsnetzwerken. Die Auswirkungen lassen sich in mehreren Bereichen analysieren:

1. Handelsströme und Lieferketten

Kalifornien spielt eine zentrale Rolle im globalen Handel. Die Häfen von Los Angeles und Long Beach wickeln etwa 40 Prozent der US-Importe ab, darunter Elektronik, Kleidung und Rohstoffe aus Asien. Ein Austritt Kaliforniens würde den Zugang zu diesen Häfen erschweren, da neue Zollgrenzen und Handelsabkommen notwendig wären. Länder wie China, Mexiko und Japan, die stark auf den kalifornischen Markt angewiesen sind, würden mit höheren Kosten und Unsicherheiten konfrontiert. Laut einer Analyse der Tagesschau vom April 2025 hat Kaliforniens Außenhandel einen erheblichen Einfluss auf das US-BIP, und eine Unterbrechung könnte die Preise für importierte Waren weltweit in die Höhe treiben.

Die Landwirtschaft Kaliforniens, die führend in der Produktion von Milchprodukten, Mandeln und Trauben ist, versorgt nicht nur die USA, sondern auch Märkte in Asien und Europa. Ein Calexit könnte Exporte durch neue Handelsbarrieren verteuern, was besonders Entwicklungsländer mit Abhängigkeit von kalifornischen Agrarprodukten treffen würde. Gleichzeitig könnte Kalifornien als unabhängiger Staat eigene Handelsabkommen schließen, etwa mit der EU oder China, was die globalen Handelsdynamiken verändern würde.

2. Technologie und Innovation

Das Silicon Valley in der San Francisco Bay Area ist das globale Zentrum für Technologie und Innovation, mit Unternehmen wie Apple, Google und Nvidia. Ein Austritt Kaliforniens würde die Verbindungen dieser Firmen zu den US-Märkten und Regulierungsbehörden erschweren. Viele Tech-Unternehmen könnten ihren Sitz ins Ausland verlegen, was die Innovationskraft der USA schwächen würde. Gleichzeitig könnte ein unabhängiges Kalifornien seine liberale Einwanderungspolitik nutzen, um weiterhin globales Talent anzuziehen, was seine Position als Technologiezentrum stärken könnte.

Die Unsicherheit nach einem Calexit würde jedoch kurzfristig zu massiven Verwerfungen an den Finanzmärkten führen. Tech-Aktien, die einen erheblichen Teil der Nasdaq ausmachen, könnten einbrechen, was globale Investoren und Pensionsfonds treffen würde. Eine Studie des Wirtschaftsdienstes aus dem Jahr 2025 warnt, dass eine Destabilisierung der US-Wirtschaft durch regionale Konflikte die globale Konjunktur gefährden könnte.

3. Finanzmärkte und Investitionen

Kalifornien ist ein bedeutendes Finanzzentrum, das im Global Financial Centres Index 2017 als sechstgrößtes in den USA eingestuft wurde. Ein Austritt würde die Finanzmärkte der USA spalten, da Investoren mit einer neuen Währung, neuen Regulierungen und politischer Unsicherheit konfrontiert wären. Die US-Staatsanleihen, die als sicherer Hafen gelten, könnten an Attraktivität verlieren, was die Finanzierung der US-Schulden erschweren würde. Ein Zahlungsausfall der USA, wie 2023 vom Merkur beschrieben, hätte bereits ohne Calexit gravierende Folgen; ein Austritt Kaliforniens würde diese Risiken vervielfachen.

Für die globale Wirtschaft könnte dies eine Flucht in alternative Anlagen wie Gold oder Kryptowährungen auslösen. Schwellenländer, die auf US-Investitionen angewiesen sind, würden unter Kapitalabflüssen leiden, was Währungskrisen und wirtschaftliche Instabilität verstärken könnte.

4. Geopolitische Implikationen

Ein unabhängiges Kalifornien würde die geopolitische Landschaft verändern. Die USA, geschwächt durch den Verlust ihrer größten Volkswirtschaft, könnten an globalem Einfluss verlieren, was Ländern wie China und Russland Spielraum für eine stärkere Rolle verschaffen würde. Kalifornien könnte als neuer Akteur versuchen, eine liberale Allianz mit der EU oder Kanada zu bilden, was die transatlantischen Beziehungen neu definieren würde. Gleichzeitig könnte ein Calexit andere separatistische Bewegungen weltweit ermutigen, von Schottland bis Katalonien, was die globale politische Stabilität gefährden würde.

Herausforderungen für Kalifornien als unabhängiger Staat

Trotz seiner wirtschaftlichen Stärke würde ein unabhängiges Kalifornien vor enormen Herausforderungen stehen. Die Abhängigkeit von Bundesmitteln, die komplexe Integration in die US-Wirtschaft und die Notwendigkeit einer eigenen Verteidigungspolitik wären schwer zu bewältigen. Zudem hat Kalifornien mit internen Problemen zu kämpfen: Die Obdachlosenkrise, hohe Lebenshaltungskosten und wiederkehrende Naturkatastrophen wie die verheerenden Waldbrände von Januar 2025 belasten den Bundesstaat. Laut der Welt vom Juni 2024 verliert Kalifornien bereits Einwohner und Wirtschaftskraft, was die langfristige Stabilität eines unabhängigen Kaliforniens infrage stellt.

Fazit: Ein unwahrscheinliches, aber folgenschweres Szenario

Die Unruhen in Los Angeles und die Drohungen von Gouverneur Newsom haben die Spannungen zwischen Kalifornien und der Bundesregierung auf ein neues Niveau gehoben. Die Idee eines Calexit bleibt jedoch ein unwahrscheinliches Szenario, das durch rechtliche, politische und wirtschaftliche Hürden blockiert wird. Sollte es dennoch zu einem Austritt kommen, wären die Folgen für die globale Wirtschaft katastrophal: Handelsströme würden gestört, Finanzmärkte destabilisiert und geopolitische Machtverhältnisse neu geordnet. Für die Weltgemeinschaft ist es daher entscheidend, die Entwicklungen in Kalifornien genau zu beobachten und auf eine Deeskalation des Konflikts zu drängen.

Die kommenden Tage werden zeigen, ob die Proteste in Los Angeles abflauen oder weiter eskalieren. Eines ist jedoch klar: Kalifornien bleibt ein Pulverfass, dessen politische und wirtschaftliche Dynamiken die Weltwirtschaft nachhaltig beeinflussen können.


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