Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat mit scharfer Kritik auf einen Vorschlag des GKV-Spitzenverbands reagiert, sämtliche ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen zu budgetieren. Der neu gewählte Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, hat diesen Vorschlag im Rahmen der Sitzung des Koalitionsausschusses zur Sozialstaatsreform vorgelegt, um die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu sanieren. Die KBV-Vorständler Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner bezeichnen die Forderung als „untragbar“ und warnen vor gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Der Vorschlag des GKV-Spitzenverbands sieht vor, alle Ausgaben für Ärzte, Kliniken und Arzneimittel strikt an die Einnahmen des Gesundheitsfonds zu koppeln, basierend auf den Prognosen des GKV-Schätzerkreises. Damit soll eine einnahmeorientierte Ausgabenpolitik etabliert werden, die Beitragssatzerhöhungen verhindern soll. Besonders kritisch wird die Forderung bewertet, die gesamte vertragsärztliche Versorgung über einen gedeckelten Vergütungsbetrag zu finanzieren, wodurch auch bisher extrabudgetäre Leistungen wie Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen sowie kürzlich eingeführte Regelungen für Haus- und Kinderärzte betroffen wären.
Die KBV-Vorständler sehen in diesem Vorstoß einen Paradigmenwechsel, der die Grundlagen der gemeinsamen Selbstverwaltung untergräbt und die Solidarität gegenüber den Versicherten gefährdet. Sie warnen, dass eine flächendeckende Budgetierung zwangsläufig zu Leistungskürzungen und längeren Wartezeiten führen würde. Bereits jetzt seien viele erbrachte Leistungen nicht vollständig vergütet, was die Situation niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten weiter verschärfen würde. Die KBV kritisiert zudem, dass der GKV-Spitzenverband die Verantwortung für die Beurteilung der Beitragssatzrelevanz von Ausgabensteigerungen einseitig auf die Krankenkassen überträgt, während die Ärzteschaft keinen Einblick in die Gesamtentwicklung der Ausgaben habe.
Der Vorschlag des GKV-Spitzenverbands wird als Widerspruch zu früheren Aussagen von Oliver Blatt gewertet, der noch vor Kurzem eine Nullrunde oder pauschale Ablehnung von Honorarerhöhungen ausgeschlossen hatte. Die KBV sieht darin einen Angriff auf das bewährte solidarische Gesundheitssystem und wirft dem GKV-Spitzenverband vor, die Versorgungsqualität der Patienten bewusst aufs Spiel zu setzen. Die Vorstände betonen, dass eine solche Politik nicht nur Praxen, sondern auch Krankenhäuser, Apotheken und letztlich die Krankenkassen selbst schädigen würde.
Die KBV fordert stattdessen eine nachhaltige Finanzierung der ambulanten Versorgung, die die tatsächlichen Kosten deckt und die Versorgung der Patienten sicherstellt. Die Organisation ruft die Politik und die Öffentlichkeit dazu auf, die potenziellen Risiken dieser Vorschläge zu erkennen und sich für ein stabiles Gesundheitswesen einzusetzen.
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