Die jüngsten Angriffe auf Irans Atomanlagen durch Israel und die USA, darunter die strategisch wichtigen Standorte Fordo, Natanz und Isfahan, haben die internationale Gemeinschaft in Alarmbereitschaft versetzt. US-Präsident Donald Trump erklärte am 22. Juni 2025, die Anlagen seien „komplett zerstört“. Doch trotz dieser massiven Militärschläge bleibt die Sorge bestehen, dass Iran auch ohne funktionierende Atomanlagen in kurzer Zeit Atomwaffen entwickeln könnte. Dieser Bericht beleuchtet die Gründe, warum Iran trotz zerstörter Infrastruktur eine nukleare Bedrohung bleibt, und stützt sich auf konkrete Fakten und Analysen.
Irans fortgeschrittene technische Kapazitäten
Ein zentraler Grund für Irans Fähigkeit, schnell Atomwaffen zu entwickeln, liegt in seinem bereits erworbenen technischen Know-how. Seit den 1980er Jahren hat Iran ein umfassendes Atomprogramm aufgebaut, das laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bis 2003 auch das geheime AMAD-Projekt zur Entwicklung nuklearer Sprengköpfe umfasste. Obwohl dieses Programm offiziell eingestellt wurde, hat Iran sein Wissen über Urananreicherung, Sprengkopfdesign und Raketentechnologie systematisch erweitert. Experten wie Georg Steinhauser, Professor für Radiochemie an der TU Wien, betonen, dass die technische Expertise, insbesondere zur Herstellung waffenfähigen Urans, nicht durch Luftangriffe zerstört werden kann.
Iran verfügt über das Wissen, Uran von 60 % auf die für Atomwaffen benötigten 90 % Reinheit anzureichern – ein Prozess, der laut Steinhauser „nur ein Katzensprung“ ist. Vor den Angriffen im Juni 2025 hatte Iran laut IAEA-Berichten etwa 409 Kilogramm Uran mit 60 % Reinheit angehäuft, genug für etwa zehn Atomwaffen bei weiterer Anreicherung. Ein vorläufiger US-Geheimdienstbericht, zitiert von der New York Times, legt nahe, dass ein Großteil dieses Materials vor den Angriffen an geheime Standorte verlegt wurde. Dies deutet darauf hin, dass Iran weiterhin über das kritische Rohmaterial verfügt, um eine Bombe zu bauen, selbst wenn die großen Anlagen zerstört sind.
Verlagerung in geheime Standorte
Die Zerstörung der bekannten Atomanlagen wie Fordo, Natanz und Isfahan hat Irans sichtbare Infrastruktur geschwächt, aber das Land hat seit Jahren in geheime und dezentrale Einrichtungen investiert. Die Anlage in Parchin, etwa 30 Kilometer südlich von Teheran, wurde im Oktober 2024 bei einem israelischen Angriff als geheime Forschungsstätte für Atomwaffen identifiziert. Solche Standorte sind oft schwer zu lokalisieren und können für kleinere, aber effektive Anreicherungsprozesse genutzt werden. Laut einem Bericht der New York Times vom Juni 2025 könnten die US-Angriffe die unterirdischen Strukturen von Fordo nicht substanziell zerstört haben, da die Anlage tief in einem Bergmassiv liegt.
Iran hat zudem Erfahrung mit der Verlagerung sensibler Aktivitäten. Schon in der Vergangenheit wurden nach Sabotageakten, wie dem Stuxnet-Cyberangriff 2010, Zentrifugen schnell an andere Orte gebracht. Die IAEA berichtete im Februar 2023, dass Iran unangekündigte Änderungen an Zentrifugen in Fordo vornahm, was die Flexibilität des Programms unterstreicht. Diese Fähigkeit, Produktionskapazitäten an geheime Orte zu verlagern, macht es schwierig, Irans nukleares Potenzial durch Luftschläge dauerhaft zu eliminieren.
Fortschritte im Sprengkopfdesign und Trägersystemen
Eine Atomwaffe erfordert nicht nur angereichertes Uran, sondern auch ein funktionsfähiges Sprengkopfdesign und ein Trägersystem. Iran hat in beiden Bereichen erhebliche Fortschritte gemacht. Laut einem X-Post vom 21. Juni 2025 soll ein geheimes Spionagedokument belegen, dass Iran kurz davor stand, einen einsatzfähigen Atomsprengkopf zu entwickeln. Während solche Informationen mit Vorsicht zu genießen sind, untermauern sie Berichte westlicher Geheimdienste, die Iran die Fähigkeit zuschreiben, ein einfaches „Gun-Type“-Design zu konstruieren. Dieses relativ simple Design erfordert weniger technischen Aufwand und könnte laut Experten innerhalb weniger Monate umgesetzt werden.
Im Bereich der Trägersysteme verfügt Iran über ein ausgeklügeltes Raketenprogramm. Die „Shahab“- und „Sejil“-Raketen können Sprengköpfe über weite Distanzen transportieren, und die Explosion auf einem Raketentestgelände 2011 zeigte die Intensität dieser Entwicklungen. Selbst wenn die großen Atomanlagen zerstört sind, bleibt Irans Raketeninfrastruktur weitgehend intakt, was die Lieferfähigkeit einer potenziellen Waffe sichert.
Politische Motivation und strategische Abschreckung
Die politische Führung Irans sieht im Atomprogramm ein Mittel zur strategischen Abschreckung, insbesondere angesichts der Bedrohung durch Israel und die USA. Revolutionsführer Ali Khamenei erklärte am 4. Juni 2025, dass die Urananreicherung für die Unabhängigkeit des Landes unerlässlich sei. Die jüngsten Angriffe könnten diese Entschlossenheit weiter stärken. Politikwissenschaftlerin Azadeh Zamirirad argumentiert, dass ein eskalierender Konflikt Iran dazu treiben könnte, sein nukleares Potenzial durch den Bau von Atomwaffen zu kompensieren.
Die Relativierung einer Fatwa von 2005, die Atomwaffen verbietet, verstärkt Spekulationen über ein verdecktes Programm. Ein X-Post vom 24. Juni 2025 deutet darauf hin, dass Iran nach den Angriffen den Atomwaffensperrvertrag (NPT) kündigen und die Zusammenarbeit mit der IAEA einstellen könnte, was die internationale Überwachung weiter erschweren würde. Diese politische Dynamik erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Iran seine Ressourcen mobilisiert, um schnell eine Bombe zu bauen.
Probleme und Grenzen
Trotz dieser Fähigkeiten gibt es Hürden. Die Herstellung einer funktionsfähigen Atomwaffe erfordert präzise Sprengstofflinsen und schnelle Elektronik, Technologien, die laut Steinhauser selbst für Experten schwer zugänglich sind. Zudem könnten internationale Sanktionen und Geheimdienstoperationen die Beschaffung dieser Komponenten erschweren. Dennoch ist die Schwelle zur Bombe laut Experten wie Ulrich Schlie niedrig, da Iran bereits die meisten notwendigen Bestandteile besitzt.
Fazit: Eine Bedrohung jenseits der Anlagen
Die Zerstörung von Irans Atomanlagen hat das Land nicht entscheidend geschwächt. Mit vorhandenem angereichertem Uran, technischem Know-how, geheimen Standorten und einem robusten Raketenprogramm bleibt Iran in der Lage, innerhalb weniger Monate eine Atomwaffe zu entwickeln. Die politische Motivation, durch nukleare Abschreckung regionale Macht zu sichern, verstärkt diese Gefahr. Militärische Schläge können das Programm verzögern, aber wie Jan Busse von der Universität der Bundeswehr betont, ist eine langfristige Lösung nur politisch möglich. Ohne ein neues Atomabkommen droht der Iran, die Schwelle zur Atommacht schneller zu überschreiten, als die Weltgemeinschaft reagieren kann.
