Die Publikation „Medizinische Labordiagnostik in Deutschland – ein Statusbericht 2024“ von Vogeser, Schumacher und Bühling liefert eine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme der Labordiagnostik im deutschen Gesundheitswesen. Die Autoren heben hervor, dass die In-vitro-Diagnostik (IVD) eine zentrale Säule der evidenzbasierten Medizin darstellt und für praktisch alle medizinischen Fachrichtungen unverzichtbar ist. Die Mehrzahl der Diagnosen kann nur unter Berücksichtigung laborbasierter Befunde zuverlässig gestellt werden. Ziel der Arbeit ist es, auf Basis öffentlich zugänglicher Daten die Versorgungsstrukturen, das Leistungsspektrum und die Entwicklungsperspektiven der Labordiagnostik in Deutschland zu analysieren und darzustellen[1].
Die Versorgung mit Laborleistungen ist in Deutschland sektorenübergreifend organisiert. Sie erfolgt durch niedergelassene Laborärzte, in stationären Einrichtungen sowie direkt in Praxen und medizinischen Versorgungszentren (MVZ) anderer Fachrichtungen. Ende 2023 waren laut Bundesärztekammer rund 1.200 Fachärzte für Labormedizin und 845 für Mikrobiologie tätig, was zusammen etwa 0,7 Prozent aller Fachärzte ausmacht. Zwei Drittel der Laborärzte arbeiten im niedergelassenen Bereich. Nach den Allgemeinmedizinern sind Laborärzte die am zweithäufigsten konsultierte Arztgruppe, obwohl ihr Fachgebiet nicht-kurativ ist. Insgesamt sind etwa 108.000 Personen in medizinischen Laboratorien beschäftigt, was 1,8 Prozent des gesamten Gesundheitspersonals entspricht. Die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Labordiagnostik betragen etwa 150 Euro, die Gesamtausgaben liegen bei rund 12,9 Milliarden Euro pro Jahr, was etwa 2,6 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben entspricht[1].
Die Versorgungsstrukturen sind heterogen: Nur noch etwa 17 Prozent der Kliniken, vor allem Maximalversorger, verfügen über eine eigene Laborinfrastruktur. Die Mehrheit der Krankenhäuser wird von externen, meist großen labormedizinischen Einheiten versorgt, die mit komplexen Logistik- und Dateninfrastrukturen eine flächendeckende Versorgung gewährleisten. Ergänzt wird dieses System durch patientennahe Labordiagnostik in Praxen und MVZ unterschiedlicher Disziplinen. Die Labordiagnostik ist durch einen hohen Automatisierungsgrad gekennzeichnet. Vollautomatisierte Analysensysteme und IT-gestützte Befundung ermöglichen die effiziente Bearbeitung großer Probenmengen bei vergleichsweise geringem Personalbedarf[1].
Im ambulanten Bereich dominieren fachärztliche Einsendelabore, die häufig als MVZ organisiert und zunehmend Teil großer, auch international agierender Laborverbünde sind. Die größten Anbieter wie Sonic Healthcare, Synlab, Limbach-Gruppe und amedes vereinen zusammen mehr als die Hälfte des Marktvolumens auf sich. Die Probentransportlogistik und die elektronische Befundübermittlung sind zentrale Elemente der Versorgungsprozesse. Daneben existieren sogenannte Laborgemeinschaften, in denen mehrere Ärzte gemeinsam Praxislabore betreiben und Basisdiagnostik anbieten. Viele Facharztpraxen führen zudem einfache Laboruntersuchungen direkt vor Ort durch (Point-of-Care-Testing, POCT)[1].
Ein zentrales Problemfeld ist der zunehmende Mangel an qualifiziertem Personal, insbesondere an Medizinisch-Technologischen Laboratoriumsanalytikern (MTL). Während die Gesamtzahl der in Laboren Beschäftigten zwischen 2012 und 2022 leicht gestiegen ist, nahm die Zahl der Fachkräfte ab. In Kliniken ist ein Rückgang der MTL um fast 30 Prozent zu verzeichnen. Die Ausbildung und der Einsatz von MTL werden durch das MT-Berufe-Gesetz geregelt, das die Durchführung anspruchsvoller Analytik auf diesen Berufsstand beschränkt, jedoch auch Öffnungen für akademisch ausgebildetes Personal vorsieht[1].
Die jährliche Zahl der Laboruntersuchungen lässt sich nur schätzen, da direkte Daten fehlen. Laut Berufsverband Deutscher Laborärzte werden täglich etwa neun Millionen Laborbefunde erstellt. Im ambulanten Bereich wurden 2022 rund 1,49 Milliarden Laborleistungen für gesetzlich Versicherte abgerechnet. Die häufigsten Untersuchungen sind das maschinelle Blutbild, TSH-Bestimmungen und HbA1c-Messungen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen ein breites Spektrum an Vorsorgeuntersuchungen, insbesondere für Erwachsene ab 35 Jahren und Schwangere[1].
Die Finanzierung der Labordiagnostik erfolgt im stationären Bereich über Fallpauschalen (DRG-System), wobei Laborleistungen als Teil der Gesamtkosten berücksichtigt werden. Im ambulanten Bereich erfolgt die Vergütung nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für gesetzlich Versicherte und nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für Privatversicherte. Die Honorierungssysteme sind komplex und sehen unter anderem Laborboni für wirtschaftliches Verhalten vor. Ab 2025 ist eine Reform der Laborvergütung geplant, die von den niedergelassenen Laborärzten kritisch bewertet wird, da sie finanzielle Nachteile erwarten[1].
Die Qualitätssicherung ist durch die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (Rili-BÄK) geregelt, die als verbindlicher Standard gilt. Zusätzlich existieren externe und interne Qualitätssicherungsmaßnahmen, Akkreditierungen nach ISO 15189 sowie gesetzliche Vorgaben für Medizinprodukte und IVD. Die Überwachung erfolgt durch die ärztliche Selbstverwaltung und die jeweiligen Landesbehörden[1].
Die Diagnostika-Industrie ist in Deutschland stark vertreten. Fünf große Hersteller dominieren den Markt für automatisierte Großlabore, daneben gibt es zahlreiche mittelständische Unternehmen. Der Branchenumsatz lag 2022 bei 3,54 Milliarden Euro, wobei der pandemiebedingte Umsatzrückgang nach dem Höhepunkt 2021 deutlich ausfiel. Rund 31.000 Personen sind in der Diagnostika-Industrie beschäftigt[1].
In der medizinischen Ausbildung ist die Labordiagnostik in den Fächern Klinische Chemie, Mikrobiologie und Pathologie verankert. Die Ausbildung der MTL erfolgt an Berufsfachschulen, eine Akademisierung wird diskutiert, ist aber bislang nicht umgesetzt. Die Weiterbildung zum Facharzt für Labormedizin oder Mikrobiologie erfolgt nach den Vorgaben der Landesärztekammern[1].
Forschung findet vor allem an universitären Lehrstühlen und in der Industrie statt. Im Fokus stehen die Entwicklung neuer Analysetechniken, die Identifikation von Biomarkern und die Translation innovativer Verfahren in die Routine. Multiparametrische „Omics“-Technologien und der Einsatz künstlicher Intelligenz gewinnen an Bedeutung[1].
Die Autoren bewerten die Labordiagnostik als systemrelevantes, hoch effizientes Element des Gesundheitswesens, das trotz steigender Anforderungen und Personalmangels bislang eine hohe Versorgungsqualität sicherstellt. Der Sektor ist jedoch von fortschreitender Marktkonsolidierung und einer zunehmenden Dominanz großer, auch von Finanzinvestoren getragener Laborverbünde geprägt. Die Sicherung der ärztlichen Unabhängigkeit und eine nachhaltige Personalentwicklung werden als zentrale Herausforderungen für die Zukunft identifiziert[1].
Quelle: Vogeser M, Schumacher T, Bühling F. Medizinische Labordiagnostik in Deutschland – ein Statusbericht 2024. GMS Ger Med Sci. 2025;23:Doc01. DOI: 10.3205/000337[1].
Quellen:
[1] ebd.
