Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland verzeichnet seit 2015 eine anhaltende Verschlechterung ihrer finanziellen Lage, gekennzeichnet durch kumulierte Defizite in Höhe von rund 25 Milliarden Euro bis 2024 sowie eine Prognose weiterer Defizite von 13,8 Milliarden Euro für 2025. Die Ausgaben stiegen in diesem Zeitraum von 204,5 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 341,4 Milliarden Euro prognostiziert für 2025, während die Einnahmen des Gesundheitsfonds von 200,5 Milliarden Euro auf 294,7 Milliarden Euro wuchsen, was zu einer wachsenden Lücke führt. Diese Entwicklung resultiert aus einer Diskrepanz zwischen Ausgabenwachstum und Einnahmeentwicklung, die durch steigende Leistungsausgaben, demografische Faktoren und externe Belastungen wie Migration verstärkt wird. Die Analyse basiert auf offiziellen Daten des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), des Statistischen Bundesamts (Destatis) und des GKV-Schätzerkreises.
Kumulierte Finanzentwicklung der GKV seit 2015
Seit 2015 haben die Ausgaben der GKV kontinuierlich zugenommen, mit einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 4,5 Prozent. Im Jahr 2015 beliefen sich die Ausgaben auf 204,5 Milliarden Euro, während die Einnahmen des Gesundheitsfonds 200,5 Milliarden Euro erreichten, was zu einem Defizit von 4 Milliarden Euro führte. Bis 2024 kumulierten die Defizite auf etwa 25 Milliarden Euro, einschließlich eines Defizits von 6,2 Milliarden Euro im Jahr 2024. Für 2025 prognostiziert der GKV-Schätzerkreis Ausgaben von 341,4 Milliarden Euro bei Einnahmen von 294,7 Milliarden Euro, was ein Defizit von 13,8 Milliarden Euro impliziert. Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds sank von 9,4 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 5,7 Milliarden Euro im Januar 2025, unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben.
Die Hauptposten der Ausgabensteigerung umfassen den Krankenhausbereich (102,2 Milliarden Euro im Jahr 2024, +9 Prozent gegenüber 2023), Arzneimittel (Rekordniveau 2024 mit +8,2 Prozent) und ambulante Leistungen (+7,8 Prozent im ersten Halbjahr 2025). Die Einnahmen wuchsen langsamer (durchschnittlich 3,7 Prozent jährlich), bedingt durch begrenzte Anpassungen der Beitragsbemessungsgrenze und den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz stieg von 0,9 Prozent im Jahr 2015 auf 2,5 Prozent für 2025, was den Gesamtbeitragssatz auf bis zu 17,1 Prozent anhebt. Im ersten Halbjahr 2025 verzeichneten die Krankenkassen trotz saisonaler Überschüsse von 2,8 Milliarden Euro ein buchhalterisches Defizit von 5,8 Milliarden Euro, da Ausgaben um 7,8 Prozent stiegen, während Einnahmen nur um 3,7 Prozent zunahmen.
Rolle und Kostenbelastung der Migration seit 2015
Die Zuwanderung seit 2015 hat die Versichertenzahl in der GKV um etwa 3 Millionen Personen erhöht, von 70,3 Millionen im Jahr 2015 auf 73,5 Millionen im Jahr 2024. Dies resultiert aus einer Nettozuwanderung von 2,88 Millionen Personen zwischen 2014 und 2022, hauptsächlich durch Fluchtmigration aus Syrien, Afghanistan, Irak und seit 2022 aus der Ukraine. Im Jahr 2015 wurden 476.649 Asylanträge gestellt, was zu einem Höchststand von 975.000 Asylbewerbern führte, die zunächst Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten. Bis Ende 2023 bezogen 513.700 Personen Regelleistungen, darunter Gesundheitsleistungen in Höhe von 4,44 Milliarden Euro (Grundleistungen inklusive medizinischer Versorgung).
Die Kostenbelastung für die GKV durch Migration kumuliert sich seit 2015 auf schätzungsweise 15 bis 20 Milliarden Euro, basierend auf den Gesamtausgaben für Asylbewerberleistungen und den Übergang in die GKV. Im Jahr 2022 beliefen sich die bundesweiten Ausgaben für Flucht und Migration auf 28 Milliarden Euro, wovon ein signifikanter Anteil (ca. 20 Prozent) auf Gesundheitsleistungen entfällt. Die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben pro Zuwanderer liegen bei 2.500 Euro jährlich in den ersten Jahren, höher als der GKV-Durchschnitt von 2.200 Euro pro Versichertem, aufgrund höherer Nutzung ambulanten und stationären Versorgung. Bis 2027 werden kumulierte Ausgaben des Bundes für Flüchtlinge und Asyl auf mehrere Milliarden Euro geschätzt, mit einem Fokus auf Integration in die GKV nach Anerkennung des Schutzstatus.
Die Integration von Zuwanderern in die GKV erfolgt nach Erhalt eines Aufenthaltstitels, wobei 23,6 Prozent der Bevölkerung 2024 einen Migrationshintergrund aufweisen. Dies erhöht die Versichertenzahl um 0,1 Prozent jährlich, trägt jedoch zu Ausgabensteigerungen bei, da der Erwerbsquotenanteil bei Zuwanderern in den ersten Jahren niedriger liegt (ca. 50 Prozent im Vergleich zu 70 Prozent bei Einheimischen). Die fiskalische Belastung durch nicht erwerbstätige Zuwanderer übersteigt in der Anfangsphase die Beiträge, mit einem Break-even-Point ab 2025 für Bruttowertschöpfung und ab 2031 für Steuern und Abgaben.
Gründe für die drohende Instabilität der gesamten Gesundheitsbranche
Die kumulierten Defizite und Ausgabensteigerungen seit 2015 führen zu einer strukturellen Unterfinanzierung der GKV, die die gesamte Gesundheitsbranche belastet. Die Prognose für 2025 sieht ein Defizit von 13,8 Milliarden Euro vor, was die Liquiditätsreserven auf unter 5 Milliarden Euro drückt und den Zusatzbeitragssatz auf 2,5 Prozent anhebt. Bis 2029 könnte der Beitragssatz auf 4,05 Prozent steigen, was zu einer jährlichen Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte führt. Die Ausgabenlücke wächst um 6 bis 8 Milliarden Euro pro Jahr, getrieben durch eine Diskrepanz von 3 Prozentpunkten zwischen Ausgaben- (6,8 Prozent Wachstum) und Einnahmenzuwachs (3,7 Prozent).
In der Branche insgesamt, einschließlich privater Krankenversicherung und Pflegeversicherung, kumulieren sich Ausgaben auf 497,7 Milliarden Euro im Jahr 2022, mit einem Anstieg auf über 500 Milliarden Euro prognostiziert für 2025. Der Krankenhaussektor verzeichnet Defizite von 4 Milliarden Euro jährlich, bedingt durch Tarifanpassungen (+4,41 Prozent für 2025) und Investitionsrückstände. Die Pflegeversicherung weist ein Defizit von 1,65 Milliarden Euro auf, was zu Beitragserhöhungen führt. Ohne Anpassungen könnte das Gesamtsystem bis 2026 ein Defizit von 34,8 Milliarden Euro erreichen, was zu Insolvenzen von Kliniken und Kassen führt, da Reserven unter dem Minimum liegen. Die Abhängigkeit von Zuwanderung als Fachkraftquelle (121.000 zusätzliche Beschäftigte seit 2014) mildert den Personalmangel, verstärkt jedoch kurzfristig die Ausgaben durch höhere Nutzung.
Die Instabilität bedroht die Branche durch Kettenreaktionen: Steigende Beiträge reduzieren die Wettbewerbsfähigkeit, was zu höherer Privatversicherung und Fragmentierung führt. Die öffentliche Verschuldung stieg bis 2024 auf 2.510,5 Milliarden Euro, mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 30.062 Euro, was zusätzliche Finanzierungsdruck erzeugt. Bis 2029 könnte die Lücke 50 Milliarden Euro überschreiten, was die Kapazitäten für Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung einschränkt und zu Versorgungslücken führt.
Quellen
- Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Vorläufige Finanzergebnisse der GKV für 2024, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/vorlaeufige-finanzergebnisse-der-gkv-fuer-das-jahr-2024-pm-07-03-2025.html
- BMG: Finanzentwicklung der GKV im 1. Quartal 2025, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/finanzentwicklung-der-gkv-im-1-quartal-2025.html
- BMG: Finanzentwicklung der GKV im 1. Halbjahr 2025, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/finanzentwicklung-der-gkv-im-1-halbjahr-2025-pm-05-09-2025.html
- Statistisches Bundesamt (Destatis): Ausgaben und Einnahmen der GKV bis 2025 (via Statista), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73331/umfrage/einschaetzung-der-einnahmen-und-ausgaben-der-gkv/
- Bundesamt für Soziale Sicherung: GKV-Schätzerkreis-Prognose 2024/2025, https://www.bundesamtsozialesicherung.de/de/service/newsroom/detail/gkv-schaetzerkreis-schaetzt-die-finanziellen-rahmenbedingungen-der-gesetzlichen-krankenversicherung-fuer-die-jahre-2024-und-2025/
- Destatis: Zuwanderung und Abwanderung seit 2015, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Wanderungen/_inhalt.html
- Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Asylbedingte Kosten und Ausgaben, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/zahlen-zu-asyl/265776/asylbedingte-kosten-und-ausgaben/
- Statistisches Bundesamt: Bevölkerung mit Migrationshintergrund, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/_inhalt.html
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Asylgeschäftsstatistik 2015, https://www.bamf.de/DE/Themen/Statistik/statistik-node.html
- Destatis: Gesundheitsausgaben in Deutschland bis 2022, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/_inhalt.html
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