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Das Geschäft mit Vorsorgeuntersuchungen für Selbstzahler

Vorsorgeuntersuchungen sind ein zentraler Baustein der modernen Medizin, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und die Heilungschancen zu verbessern. Während gesetzliche Krankenkassen in Deutschland eine Reihe von Vorsorgeuntersuchungen wie den Gesundheits-Check-up ab 35 Jahren, das Hautkrebs-Screening oder die Mammographie finanzieren, greifen viele Menschen zu zusätzlichen Untersuchungen, die sie selbst bezahlen müssen. Diese sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) haben sich zu einem florierenden Geschäftsfeld entwickelt. Doch wie funktioniert dieses Geschäftsmodell, welche Leistungen werden angeboten, und welche Chancen und Risiken birgt es für Patienten? Dieser Bericht beleuchtet die Dynamik des Marktes für Vorsorgeuntersuchungen für Selbstzahler, basierend auf aktuellen Daten und kritischen Analysen.

Der Markt der Selbstzahlerleistungen

Das Geschäft mit Selbstzahlerleistungen, insbesondere IGeL, wächst stetig. Laut dem IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund (MDB) wurden bis Dezember 2024 insgesamt 55 Selbstzahlerleistungen wissenschaftlich bewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd: Bei den meisten IGeL überwiegt der potenzielle Schaden den Nutzen, oder der Nutzen bleibt unklar. Nur zwei Leistungen erhielten eine „tendenziell positive“ Bewertung. Dennoch bleibt die Nachfrage hoch, da viele Patienten zusätzliche Sicherheit für ihre Gesundheit suchen.

Die Palette der angebotenen Selbstzahlerleistungen reicht von Ultraschalluntersuchungen der Brust über die Glaukom-Früherkennung bis hin zu PSA-Tests zur Prostatakrebsvorsorge. Besonders beliebt sind umfassende Check-up-Programme in spezialisierten Kliniken wie der ALTA Klinik oder der Praxisklinik Bornheim, die Kosten von bis zu 1.346,63 Euro für eine dreistündige Komplettuntersuchung veranschlagen. Diese Programme beinhalten oft Leistungsbausteine wie Laktatstufentests oder H2-Atemtests, die individuell auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden.

Wer bietet Selbstzahlerleistungen an?

Selbstzahlerleistungen werden sowohl von niedergelassenen Ärzten als auch von spezialisierten Diagnostikzentren und Privatkliniken angeboten. Niedergelassene Ärzte, die IGeL anbieten, rechnen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ab. Diese erlaubt eine flexible Preisgestaltung, die jedoch an bestimmte Vorgaben gebunden ist. Privatkliniken wie die ALTA Klinik in Bielefeld oder Köln richten sich gezielt an Selbstzahler und Privatversicherte und bieten umfassende Vorsorgepakete an, die oft über das hinausgehen, was gesetzliche Krankenkassen finanzieren.

Ein Beispiel für die Kommerzialisierung ist das Angebot von Hautkrebs-Screenings durch Hautärzte ohne kassenärztliche Zulassung, die diese Leistung als IGeL anbieten. Während gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre ein kostenloses Hautkrebs-Screening in Anspruch nehmen können, bieten manche Praxen erweiterte Untersuchungen mit modernen Technologien wie der Ganzkörperfotografie an, die jedoch privat bezahlt werden müssen.

Chancen: Individualisierte Vorsorge und Prävention

Das Geschäft mit Selbstzahlerleistungen bietet einige Vorteile. Erstens ermöglichen IGeL eine individualisierte Vorsorge, die über die standardisierten Angebote der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgeht. So können beispielsweise spezifische Risikofaktoren wie familiäre Vorbelastungen oder Lebensstilfaktoren gezielt untersucht werden. Zweitens bieten private Anbieter oft kürzere Wartezeiten und eine angenehmere Atmosphäre, was für viele Patienten ein entscheidender Faktor ist. Drittens können bestimmte Untersuchungen, wie die Knochendichtemessung zur Osteoporose-Früherkennung (ca. 100 Euro), sinnvoll sein, auch wenn sie nicht von der Krankenkasse übernommen werden.

Privatversicherte profitieren zusätzlich von flexibleren Tarifen, die oft erweiterte Vorsorgeuntersuchungen abdecken, wie etwa jährliche Mammographien ab 30 Jahren oder spezielle Früherkennungsprogramme für Kinder. Diese Flexibilität kann dazu beitragen, Krankheiten früher zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten, was langfristig die Gesundheitskosten senken könnte.

Risiken: Kosten, Nutzen und Transparenz

Trotz der Vorteile gibt es erhebliche Risiken. Der IGeL-Monitor des MDB zeigt, dass viele Selbstzahlerleistungen wissenschaftlich nicht ausreichend belegt sind. Beispielsweise gelten Methoden wie die Ozontherapie oder die Bioresonanztherapie als medizinisch nicht notwendig oder gar potenziell schädlich. Patienten laufen Gefahr, für teure Untersuchungen zu zahlen, die keinen gesundheitlichen Mehrwert bieten.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Aufklärung. Laut der Verbraucherzentrale sind Ärzte verpflichtet, über Risiken, Alternativen und Kosten von IGeL aufzuklären, was jedoch nicht immer geschieht. Besonders bei Zahnarztbehandlungen gibt es häufig Beschwerden über unzureichende Informationen. Werbung für IGeL ist zudem streng reguliert, da der ärztliche Beruf kein Gewerbe ist. Dennoch gibt es Fälle, in denen Patienten durch marktschreierische oder verängstigende Werbung zu unnötigen Untersuchungen gedrängt werden.

Die Kostenfrage ist ein weiterer kritischer Punkt. Während gesetzliche Krankenkassen für viele Vorsorgeuntersuchungen aufkommen, können Selbstzahlerleistungen schnell ins Geld gehen. Ein Glaukom-Test kostet etwa 20 Euro, eine umfassende Vorsorgeuntersuchung in einer Privatklinik mehrere hundert bis tausend Euro. Für Menschen mit geringem Einkommen sind solche Leistungen oft unerschwinglich, was die gesundheitliche Ungleichheit verstärken kann.

Gesellschaftliche und ethische Dimension

Die Kommerzialisierung der Vorsorge wirft auch ethische Fragen auf. Kritiker sehen die Gefahr, dass der Fokus auf Profit die medizinische Notwendigkeit überlagert. Ärzte könnten versucht sein, Patienten zu IGeL zu drängen, um ihre Einnahmen zu steigern. Dies steht im Widerspruch zur Berufsordnung, die eine sachliche und nicht irreführende Werbung vorschreibt.

Zudem zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK, dass 42 % der Deutschen nicht wissen, welche Vorsorgeuntersuchungen ihnen zustehen, und 18 % die Untersuchungen als unangenehm empfinden. Diese Unwissenheit und Skepsis nutzen manche Anbieter aus, um kostenpflichtige Zusatzleistungen zu vermarkten.

Regulierung und Verbraucherschutz

Um Patienten zu schützen, gibt es Initiativen wie den IGeL-Monitor, der die wissenschaftliche Evidenz von Selbstzahlerleistungen bewertet. Die Verbraucherzentrale rät Patienten, vor der Inanspruchnahme von IGeL genau nachzufragen und Alternativen zu prüfen. Ein schriftlicher Behandlungsvertrag ist zudem empfehlenswert, um Kosten und Leistungen transparent zu machen.

Die gesetzlichen Krankenkassen informieren ihre Mitglieder jährlich über kostenlose Vorsorgeangebote, was die Inanspruchnahme von IGeL potenziell reduzieren könnte. Dennoch bleibt die Herausforderung, die Bevölkerung besser über sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen aufzuklären, um Fehlinvestitionen in unwirksame Leistungen zu vermeiden.

Fazit

Das Geschäft mit Vorsorgeuntersuchungen für Selbstzahler ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet es die Möglichkeit, individualisierte und frühzeitige Diagnostik zu nutzen, die über die Standardleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgeht. Andererseits besteht die Gefahr, dass Patienten für medizinisch fragwürdige oder überteuerte Leistungen zahlen. Eine fundierte Aufklärung, transparente Preisgestaltung und eine stärkere Orientierung an wissenschaftlicher Evidenz sind notwendig, um das Potenzial der Selbstzahlerleistungen verantwortungsvoll zu nutzen. Patienten sollten sich vor der Inanspruchnahme von IGeL kritisch informieren, etwa über Plattformen wie den IGeL-Monitor oder die Verbraucherzentrale, und die kostenlosen Angebote der Krankenkassen konsequent nutzen.

Quellen:

  • Verbraucherzentrale.de
  • IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes Bund
  • ALTA Klinik
  • Praxisklinik Bornheim
  • Capital.de
  • GfK-Umfrage für „Hausarzt“


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