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CSL Behring schließt Forschungsabteilung in Marburg: 500 Jobs in Gefahr

Ein Schock für Marburg: Das Biopharmaunternehmen CSL Behring hat angekündigt, seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung (F&E) am Standort Marburg zu schließen. Rund 500 Mitarbeiter bangen nun um ihre Arbeitsplätze. Die Entscheidung wirft nicht nur Fragen zur Zukunft der betroffenen Beschäftigten auf, sondern auch zur strategischen Ausrichtung eines Unternehmens, das erst 2022 mit großer medialer Aufmerksamkeit ein hochmodernes F&E-Zentrum in der Universitätsstadt eröffnet hatte. Die Schließung wird als „schwerer Schlag“ für die Region bewertet, während Details zu Ablauf, Zeitrahmen und Lösungen für die Mitarbeiter weiterhin im Dunkeln liegen.

Ein Rückschlag nach Millioneninvestitionen

Die Nachricht kam für viele überraschend. Erst vor drei Jahren, im September 2022, hatte CSL Behring mit einem Investitionsvolumen von 150 Millionen Euro ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum in Marburg eingeweiht. Auf 40.000 Quadratmetern bot das Zentrum Platz für bis zu 500 F&E-Mitarbeiter und wurde als „weltweit größtes F&E-Zentrum von CSL“ gefeiert. Paul Perreault, CEO von CSL, betonte damals, die Investition mache „Sinn“, da Marburg die Region sei, die CSL mitgeprägt habe. Das Zentrum sollte Kreativität und wissenschaftlichen Austausch fördern, auch mit externen Partnern wie Start-ups, und den Standort zu einem „Leuchtturm der Biotechnologie“ machen.

Jetzt, nur drei Jahre später, steht genau diese Abteilung vor der Schließung. Die Begründung des Unternehmens bleibt vage: CSL wolle weltweit Kompetenzen zusammenführen, hieß es aus der Chefetage. Doch welche Rahmenbedingungen sich geändert haben, bleibt unklar. Die Ankündigung wirft ein Schlaglicht auf die Volatilität global agierender Konzerne, die scheinbar langfristige Investitionen innerhalb kürzester Zeit revidieren können. Für die betroffenen Mitarbeiter, die Stadt und die Region ist die Entscheidung ein herber Rückschlag, zumal Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) erst am Dienstag von der Schließung erfuhr. „Das ist ein schwerer Schlag für die Betroffenen, die Stadt und die ganze Region“, betonte Spies gegenüber dem Hessischen Rundfunk.

Unsicherheit für 500 Beschäftigte

Die rund 500 Mitarbeiter der F&E-Abteilung stehen vor einer ungewissen Zukunft. CSL Behring spricht von einer „schrittweisen“ Schließung und betont, gemeinsam mit dem Betriebsrat nach „guten und unter den gegebenen Umständen fairen Lösungen“ für die Betroffenen suchen zu wollen. Doch konkrete Details fehlen: Weder gibt es einen Zeitplan für die Umsetzung, noch ist klar, ob die Mitarbeiter an anderen Standorten des Unternehmens weiterbeschäftigt werden können. Anfragen des Hessischen Rundfunks blieben bislang unbeantwortet.

Der Betriebsrat des Unternehmens zeigte sich schockiert über die Entscheidung. „Rund 500 Mitarbeiter sind betroffen, und wir stehen vor einer völlig neuen Situation“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Ankündigung hat nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die lokale Politik aufgeschreckt. Oberbürgermeister Spies versprach, die Stadt werde „im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles tun, um zu unterstützen“. Dennoch bleibt der Forschungsstandort Marburg durch diese Entwicklung zumindest kurzfristig geschwächt, auch wenn Spies betont, dass er langfristig nicht nachhaltig gefährdet sei.

Ein Widerspruch zur jüngsten Vergangenheit

Die Schließung der F&E-Abteilung steht in krassem Kontrast zu den jüngsten Entwicklungen am Standort Marburg. Neben dem 150-Millionen-Euro-Projekt für das F&E-Zentrum hatte CSL Behring kontinuierlich in den Standort investiert. So wurde 2022 ein weiteres Bürogebäude für 600 Mitarbeiter bezogen, um die Belegschaft zu konsolidieren. Zudem plant das Unternehmen, in den kommenden Jahren rund 400 Millionen Euro in den Produktionsbereich zu investieren. Die Produktion in Marburg, die rund 3.000 Menschen beschäftigt, soll nicht nur erhalten, sondern weiter ausgebaut werden.

Diese gegensätzlichen Signale werfen Fragen auf: Warum wird ein hochmodernes F&E-Zentrum, das erst vor drei Jahren eröffnet wurde, nun geschlossen, während gleichzeitig massiv in die Produktion investiert wird? Kritiker sehen darin ein Indiz für eine strategische Neuorientierung, die den Fokus von Forschung hin zu kosteneffizienter Produktion verlagert. Auf X äußern Nutzer ihre Besorgnis: „CSL Entwicklung geht ins Ausland – 500 Stellen in Gefahr“, schreibt ein User, während ein anderer die Schließung als „Horror“ für die Wissenschaft bezeichnet.

Kritik an der Unternehmenskultur

Die Entscheidung von CSL Behring reiht sich in eine Reihe von Kritikpunkten ein, die Mitarbeiter in der Vergangenheit am Unternehmen geäußert haben. Auf Plattformen wie Kununu berichten ehemalige Beschäftigte von langwierigen internen Prozessen, mangelnder Unterstützung für neue Mitarbeiter und einer „verfehlten Personalpolitik“. Besonders die Handhabung von Restrukturierungen wird kritisiert: Bei früheren Umstrukturierungen mussten betroffene Mitarbeiter sich neu bewerben und wurden innerhalb weniger Tage gekündigt, wenn ihre Bewerbung nicht erfolgreich war. „Sozialbewusstsein im Bezug auf die eigenen Mitarbeiter lässt sehr zu wünschen übrig“, heißt es in einer Bewertung.

Diese Kritik könnte nun auch die Verhandlungen über die Schließung der F&E-Abteilung beeinflussen. Der Betriebsrat wird eine zentrale Rolle dabei spielen, die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten. Doch die vagen Ankündigungen des Unternehmens lassen wenig Raum für Optimismus. „CSL verrät nur wenig über seine Entwicklung, und man erfährt teilweise nur durch das Internet von Veränderungen“, klagt ein ehemaliger Mitarbeiter.

Auswirkungen auf die Region

Marburg ist seit jeher ein Zentrum der Biotechnologie, nicht zuletzt durch die historische Bedeutung der Behringwerke, die eng mit der Stadt und dem Nobelpreisträger Emil von Behring verbunden sind. Die Ansiedlung von Unternehmen wie BioNTech und die hohen Gewerbesteuereinnahmen in den letzten Jahren haben die Bedeutung des Standorts unterstrichen. Die Schließung der F&E-Abteilung könnte jedoch das Image Marburgs als Forschungsstandort beschädigen und die Abwanderung von Fachkräften fördern.

Gleichzeitig bleibt die Produktion ein Hoffnungsschimmer. Mit den geplanten 400 Millionen Euro Investitionen könnte CSL Behring langfristig Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Dennoch wird die Schließung der F&E-Abteilung kurzfristig spürbare Auswirkungen haben – nicht nur für die betroffenen Mitarbeiter, sondern auch für Zulieferer, Dienstleister und die lokale Wirtschaft.

Ein Aufruf zur Transparenz

Die Schließung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von CSL Behring in Marburg ist mehr als ein unternehmerischer Schritt – sie ist ein Alarmsignal für die Region und die betroffenen Mitarbeiter. Das Unternehmen steht nun in der Pflicht, schnellstmöglich Klarheit über den Ablauf, den Zeitrahmen und die Lösungen für die 500 Beschäftigten zu schaffen. Die Stadt Marburg und der Betriebsrat müssen alles daransetzen, die Interessen der Mitarbeiter zu schützen und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu fördern.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie anfällig lokale Arbeitsmärkte für die Strategien globaler Konzerne sind. CSL Behring muss sich der Verantwortung bewusst sein, die es als einer der größten Arbeitgeber der Region trägt. Transparenz, soziale Verantwortung und ein partnerschaftlicher Dialog mit den Mitarbeitern sind jetzt gefragt, um das Vertrauen in den Standort Marburg zu erhalten. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob CSL Behring dieses Versprechen einlösen kann – oder ob die Schließung der F&E-Abteilung ein weiterer Schritt in die Unsicherheit bleibt.

Quellen: giessener-allgemeine.de, fr.de, hessenschau.de, tagesschau.de, op-marburg.de, cslbehring.de, kununu.com, X-Posts


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