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Chemiewerke Schkopau und Böhlen vor Schließung: Biotechbranche und Ostdeutschland unter Druck

Der US-Chemiekonzern Dow Chemical plant die Stilllegung oder Schließung seiner Produktionsanlagen in Schkopau (Sachsen-Anhalt) und Böhlen (Sachsen), mit einer Entscheidung bis Juli 2025. Hohe Energiepreise, steigende CO2-Kosten und Überkapazitäten bedrohen etwa 500 direkte Arbeitsplätze und die regionale Wirtschaft. Die Folgen könnten die deutsche Biotechbranche schwächen und den sozialen Frieden in Ostdeutschland gefährden.

Die Werke sind Kern des mitteldeutschen Chemiedreiecks, das jährlich Chemikalien im Wert von über 2 Milliarden Euro produziert. In Böhlen betreibt Dow einen Steam-Cracker, der 600.000 Tonnen Ethylen und Propylen jährlich liefert, essenziell für Kunststoffe in Verpackungen, Folien und medizinischen Produkten. Diese Stoffe werden über ein 1.300 Kilometer langes Pipelinenetz an Standorte wie Schkopau und Leuna verteilt, wo 27 Unternehmen im ValuePark tätig sind. Dow beschäftigt in Deutschland 3.600 Mitarbeiter, davon 1.200 in Mitteldeutschland. Eine Schließung des Crackers würde die Versorgung unterbrechen, was Zulieferer und abhängige Firmen mit weiteren 1.000 bis 1.500 Arbeitsplätzen gefährdet.

Die Biotechbranche, die 2024 in Deutschland einen Umsatz von 56 Milliarden Euro erzielte, ist betroffen. Das Chemiedreieck liefert Rohstoffe für biobasierte Kunststoffe und pharmazeutische Vorprodukte. Eine Schließung könnte die Produktion um bis zu 15 % reduzieren, da alternative Lieferketten aus Asien oder den USA teurer sind. Besonders kleine Biotech-Firmen, die 60 % der 22.000 Arbeitsplätze in der Branche stellen, könnten an Innovationskraft verlieren. Das Forschungszentrum für transformative Chemie in Schkopau, mit 50 Millionen Euro gefördert, steht vor Unsicherheit.

In Ostdeutschland, wo die Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt bei 6,8 % und in Sachsen bei 6,2 % liegt (Bundesdurchschnitt: 5,9 %, Stand April 2025), droht ein sozialer Rückschlag. Seit der Wende wurden über 10 Milliarden Euro in die Region investiert, um Industriearbeitsplätze zu sichern. Der Verlust gut bezahlter Jobs (Durchschnittsgehalt bei Dow: 55.000 Euro jährlich) könnte die Kaufkraft um 30 Millionen Euro jährlich senken. Am 28. Mai 2025 protestierten 700 Beschäftigte in Böhlen, unterstützt von der IG BCE, die einen Industriestrompreis fordert. Böhlens Bürgermeister Dietmar Berndt warnte vor einer „katastrophalen“ wirtschaftlichen Lage.

Die hohen Energiekosten (Industriestrom: 15 Cent/kWh in Deutschland vs. 8 Cent/kWh in den USA) und CO2-Abgaben (50 Euro/Tonne) machen die Standorte unrentabel. Dow prüft Alternativen wie den Verkauf der Anlagen oder externe Rohstofflieferungen, doch die Umsetzung ist unklar. Ohne politische Maßnahmen wie Subventionen oder einen Strompreisdeckel droht ein Exodus der Chemieindustrie, mit Langzeitfolgen für Ostdeutschlands Wirtschaft und Zusammenhalt.


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