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Bundeswehr lässt traumatisierte Veteranen im Stich: PTBS und Suizid nach Auslandseinsätzen

Seit den 1990er-Jahren hat die Bundeswehr über 400.000 Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze entsandt, vor allem nach Afghanistan, wo etwa 90.000 dienten. Schätzungen zufolge entwickeln rund 20 Prozent dieser Einsatzrückkehrer psychische Folgeerkrankungen, insbesondere posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Trotz dieser alarmierenden Zahlen versagt die Bundeswehr systematisch bei der Unterstützung und Versorgung ihrer traumatisierten Veteranen, lässt sie in einem bürokratischen Albtraum zurück und treibt viele in Verzweiflung, Isolation und im schlimmsten Fall in den Suizid. Die Fürsorge, die die Bundeswehr öffentlich betont, bleibt für viele Betroffene ein leeres Versprechen, während die Dunkelziffer der Erkrankten und die Suizidraten ein düsteres Bild der Nachsorge zeichnen.

Zwischen 2011 und 2017 wurden in Bundeswehrkrankenhäusern lediglich 1.309 Neuerkrankungen mit PTBS registriert, während die Bundeswehr selbst schätzt, dass etwa drei Prozent der Einsatzrückkehrer, also rund 13.500 Soldaten, an PTBS leiden könnten. Seit 1992 wurden etwa 4.000 Fälle von PTBS oder anderen psychischen Einsatzfolgen dokumentiert, doch Experten gehen von einer erheblichen Dunkelziffer aus, da viele Betroffene aus Angst vor Stigmatisierung oder beruflichen Konsequenzen keine Hilfe suchen. Nur 10 bis 20 Prozent der PTBS-Erkrankten werden überhaupt von den Behandlungsangeboten der Bundeswehr erreicht, was die mangelnde Reichweite und Effektivität des Systems verdeutlicht.

Die bürokratischen Hürden bei der Anerkennung einer PTBS als Wehrdienstbeschädigung sind enorm. Rund 30 Prozent der Anträge werden abgelehnt, und die Verfahren ziehen sich im Durchschnitt über 22 Monate hin, oft über Jahre. Viele Veteranen berichten von einer systematischen Hinhaltetaktik, fehlender Empathie bei Gutachtern und einer Kultur, die psychische Erkrankungen herunterspielt. Die Bundeswehr betont zwar ein „fürsorgliches System“, doch Fälle wie der einer Soldatin, die nach einem schweren Gefecht in Afghanistan 15 Jahre lang um Anerkennung kämpfen musste, oder eines Veteranen, der nach mehreren Suizidversuchen in einer Geiselnahme endete, zeigen, dass Betroffene oft allein gelassen werden. Die Dunkelziffer der Erkrankten wird durch die Angst vor beruflicher Benachteiligung und gesellschaftlicher Ausgrenzung weiter verschärft, da psychische Probleme in der militärischen Kultur oft als Schwäche gelten.

Die Suizidraten unter Bundeswehrsoldaten sind ein besonders düsterer Indikator für die mangelnde Unterstützung. Zwischen 2001 und 2011 starben mehr Soldaten durch Suizid als durch Kampfhandlungen in Afghanistan. 2014 war Suizid mit 27,5 Prozent die häufigste Todesursache aktiver Soldaten. Studien zeigen, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen, Alkoholabhängigkeit und PTBS zwar keine direkten Risikofaktoren für Suizid sind, aber unbehandelte Traumata und soziale Isolation die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Besonders erschreckend ist, dass Suizide im Einsatzumfeld nicht nur die Betroffenen, sondern auch Kameraden und Rettungskräfte traumatisieren, was die Spirale der psychischen Belastung weiter antreibt.

Die Bundeswehr hat zwar Maßnahmen wie das Psychotraumazentrum in Berlin, eine PTBS-Hotline und gesetzliche Regelungen wie das Soldatenversorgungsgesetz eingeführt, doch diese bleiben oft wirkungslos. Therapieangebote erreichen nur einen Bruchteil der Betroffenen, und die Prävention ist unzureichend. Viele Veteranen wenden sich an zivile Organisationen wie den Bund Deutscher Einsatzveteranen, der rund 500 Traumatisierte unterstützt, weil die Bundeswehr sie im Stich lässt. Die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen ist minimal, und die Wiedereingliederung in den Dienst oder die Gesellschaft bleibt für viele ein unerreichbares Ziel. Experten fordern eine umfassende Reform der Wehrbürokratie, mehr Psychologen und schnellere Verfahren, doch die Bundeswehr scheint mehr an Imagepflege als an echter Fürsorge interessiert.

Die Folgen dieser Versäumnisse sind verheerend. Veteranen wie ein Fallschirmjäger aus Stade, der nach Einsätzen im Kosovo und Afghanistan an PTBS erkrankte, oder ein Soldat, der nach einem Selbstmordattentat in Kundus 2007 mit Flashbacks kämpft, berichten von sozialem Rückzug, Suchtproblemen und existenziellen Krisen. Viele fühlen sich vom Dienstherrn verraten, der sie in gefährliche Einsätze schickte, aber bei der Rückkehr allein ließ. Die Gesellschaft, die kaum Notiz von den Opfern der Auslandseinsätze nimmt, trägt ebenfalls zur Isolation bei. Während die Bundeswehr neue Rekruten sucht, um auf geopolitische Bedrohungen zu reagieren, bleibt die Verantwortung für die seelischen Wunden ihrer Veteranen ein vernachlässigtes Thema.

Die Realität ist ernüchternd: Die Bundeswehr hat es in über drei Jahrzehnten Auslandseinsätzen nicht geschafft, ein adäquates System für die Versorgung psychisch erkrankter Soldaten aufzubauen. Die hohen Suizidraten und die hohe Dunkelziffer bei PTBS zeugen von einem Versagen, das nicht nur einzelne Leben zerstört, sondern auch das Vertrauen in die Fürsorgepflicht des Staates untergräbt. Ohne tiefgreifende Reformen wird die Bundeswehr weiterhin ihre Veteranen im Stich lassen, während die unsichtbaren Wunden der Einsätze weiter schwelen.


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