Bei Menschen mit einer genetischen Veranlagung für Alzheimer zeigen sich bereits elf Jahre vor dem erwarteten Auftreten von Demenzsymptomen veränderte Blutwerte, die auf geschädigte Nervenzellkontakte hinweisen. Dies zeigt sich im Spiegel des Proteins „Beta-Synuclein“. Ein internationales Team, darunter Forschende des DZNE, des Universitätsklinikums Ulm und der Universitätsmedizin Halle, berichtet darüber im Fachjournal „ Alzheimer’s & Dementia “. Der untersuchte Biomarker könnte möglicherweise dazu beitragen, Neurodegeneration frühzeitig zu erkennen und so einen geeigneten Zeitpunkt für den Beginn einer Behandlung festzulegen.
Derzeit stehen neue Medikamente zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit , der häufigsten Demenzform, zur Verfügung. Diese sogenannten Amyloid-Antikörper lösen den Abbau winziger Ablagerungen im Gehirn aus und können so den Krankheitsverlauf verzögern. Voraussetzung ist jedoch eine Behandlung im Frühstadium der Erkrankung. „Eine frühzeitige Diagnose wird daher immer wichtiger. Derzeit wird Alzheimer jedoch meist erst sehr spät diagnostiziert. Wir brauchen daher Fortschritte in der Diagnostik. Sonst können wir das volle Potenzial dieser neuen Medikamente nicht ausschöpfen“, sagt Dr. Patrick Öckl , Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Ulm und an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Ulm . „Deshalb untersuchen wir seit geraumer Zeit Beta-Synuclein. Die Blutwerte dieses Proteins spiegeln neuronale Schäden wider und lassen sich relativ einfach bestimmen. Wir sehen darin einen potenziellen Biomarker zur Früherkennung von Neurodegeneration. Diese Einschätzung wird durch unsere aktuellen Studienergebnisse gestützt.“ Das Anwendungspotenzial gehe vermutlich über Alzheimer hinaus, so der Wissenschaftler: „Dieser Marker weist auf neuronale Schäden hin, die beispielsweise auch durch einen Schlaganfall entstehen können. Dennoch zeigen unsere Untersuchungen, dass er im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit besonders relevant ist.“
Fragmente aus den Synapsen
Beta-Synuclein ist ein Protein, das vor allem an den Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen vorkommt. Diese sogenannten Synapsen, über die Nervenzellen Signale miteinander austauschen, bauen sich im Verlauf der Alzheimer-Krankheit allmählich ab: Dadurch wird Beta-Synuclein freigesetzt, gelangt vom Gehirn in den Blutkreislauf und kann dann in Blutuntersuchungen nachgewiesen werden. „Unsere Forschung zeigt, dass der synaptische Abbau sehr früh beginnt. Er beginnt, bevor sich kognitive Beeinträchtigungen manifestieren“, sagt Öckl. „Damit ist Beta-Synuclein ein Marker, der bereits in einem präsymptomatischen Stadium reagiert. Konkret bedeutet das, dass der Blutspiegel des Proteins ansteigt.“
Familiäre Alzheimer-Krankheit
Die Ergebnisse basieren auf Daten von DIAN , einem internationalen Forschungsnetzwerk zur erblichen Form der Alzheimer-Krankheit, die durch Mutationen im Genom verursacht wird. Da diese genetischen Anomalien an Nachkommen vererbt werden können, treten Demenzfälle häufig in den Familien der Betroffenen auf. „Die erbliche Variante der Alzheimer-Krankheit ist sehr selten und kann sich im frühen oder mittleren Erwachsenenalter manifestieren. Pathologisch gesehen ähnelt sie jedoch stark der sporadischen Variante, die deutlich häufiger ist und meist erst im höheren Alter auftritt“, sagt Prof. Markus Otto, Leiter der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle , der ebenfalls maßgeblich an der aktuellen Forschung beteiligt war. Nach heutigem Kenntnisstand führen diese Erbgutfehler nahezu zwangsläufig zu Demenz. Es lässt sich abschätzen, wann voraussichtlich Symptome auftreten. „Bei einer Person mit einer Mutation lässt sich vorhersagen, wie viele Jahre es bis zum Auftreten von Demenzsymptomen dauern wird. Erfahrungsgemäß lässt sich dies anhand des Alters berechnen, in dem bei älteren Verwandten erstmals kognitive Beeinträchtigungen auftraten“, erklärt Otto. „Diese Schätzung steht allen Teilnehmern von DIAN zur Verfügung und ermöglicht es, den Krankheitsverlauf zeitlich einzuordnen.“
Blutmarker korrelieren mit Symptomatik
In der aktuellen Studie wurde das Blut von mehr als 100 Erwachsenen mit solchen Genmutationen auf Beta-Synuclein untersucht. Die Personen waren etwa zwischen Mitte 30 und Mitte 40. Bei allen Studienteilnehmern wurde die kognitive Leistungsfähigkeit untersucht: Etwa ein Drittel zeigte Anzeichen einer Demenz, während die übrigen Probanden symptomfrei blieben. Teilweise konnten die Forschenden den Gesundheitszustand zusätzlich anhand von Proben der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und Hirnscans charakterisieren. Manche Teilnehmer wurden sogar mehrfach untersucht, sodass ihr Zustand über mehrere Jahre hinweg beobachtet werden konnte. Letztlich lieferten die verschiedenen Daten ein Bild davon, wie sich der Beta-Synuclein-Spiegel im Blut im Verlauf der Alzheimer-Erkrankung veränderte. „Die Konzentration von Beta-Synuclein im Blut beginnt etwa elf Jahre vor den erwarteten ersten Demenzsymptomen anzusteigen. Es gibt also frühe Anzeichen einer synaptischen Degeneration“, sagt Otto. Der Verlust von Hirnmasse und andere pathologische Veränderungen, die auch bei Alzheimer auftreten, treten erst später auf. Und je schwerer die kognitiven Beeinträchtigungen nach dem Auftreten der Symptome sind, desto höher ist der Beta-Synuclein-Spiegel im Blut. Dieser Biomarker spiegelt somit pathologische Veränderungen sowohl im präsymptomatischen als auch im symptomatischen Stadium wider.
https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/alz.70146
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