Blutgefäße sind nicht nur Versorger von Sauerstoff und Nährstoffen, sondern spielen eine entscheidende Rolle bei der Formung des Gehirns. Spezialisierte Endothelzellen in den Gefäßen tauschen Signale mit Nervenzellen und Gliazellen aus, die die Bildung von Gehirnschaltkreisen und die Architektur des Gehirns maßgeblich beeinflussen. Störungen in diesem Austausch können zu Entwicklungsstörungen oder neurodegenerativen Erkrankungen führen. Die Neurobiologin Prof. Dr. Amparo Acker-Palmer von der Goethe-Universität Frankfurt erhält nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung von 1,25 Millionen Euro für ein visionäres Koselleck-Projekt, das diese verborgenen Mechanismen aufdecken soll.
Das Projekt, das über fünf Jahre läuft, zielt darauf ab, die molekularen Interaktionen an den vaskulär-neuronalen Schnittstellen detailliert zu erforschen. Mit modernsten Methoden wie hochauflösender Bildgebung, Erstellung molekularer Profile und genetischen Modellen will Acker-Palmer aufzeigen, wo und wie Endothelzellen mit Neuronen und anderen Gehirnzellen kommunizieren. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Kleinhirn, das für Bewegungen und kognitive Prozesse essenziell ist. Ein weiterer Fokus gilt der Rolle der Blutgefäße bei der Hirnfaltung – einem Prozess, der die Funktionen des Gehirns differenziert und erweitert. Defekte in der Faltung können zu schweren neurologischen Störungen wie geistiger Behinderung, Epilepsie oder motorischen Problemen führen.
„Indem wir Gefäßbiologie und Neurowissenschaften zusammenführen, schlagen wir ein neues Kapitel in der neurovaskulären Forschung auf. Wenn wir verstehen, wie Blutgefäße die Entwicklung des Gehirns steuern, ist das von großer Bedeutung nicht nur für die Grundlagenbiologie, sondern auch für neue therapeutische Strategien gegen Erkrankungen, die auf gestörter Kommunikation zwischen Gefäßen und Neuronen beruhen“, betonte Prof. Acker-Palmer. Die Studie habe das Potenzial, die neurovaskuläre Biologie zu revolutionieren und bislang unbekannte Therapien zu erschließen.
Interdisziplinärer Ansatz in einem innovativen Labor
Acker-Palmers Labor an der Goethe-Universität ist ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit: Gefäßbiologen und Neurowissenschaftler arbeiten hier eng zusammen, was einen nahtlosen Wissensaustausch, Innovation und bahnbrechende Entdeckungen fördert. „Diese Kooperation schafft ideale Voraussetzungen für das ehrgeizige Vorhaben“, so die Forscherin. Das Projekt passt perfekt zum Koselleck-Programm der DFG, das seit 2008 visionäre, risikoreiche Forschungsprojekte mit hohem Innovationspotenzial unterstützt. Benannt nach dem Historiker Reinhart Koselleck (1923–2006), einem Pionier der Sozialgeschichte, werden diese Förderungen an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben, die durch herausragende Leistungen hervortreten und innovative Ansätze mit einem gewissen Risiko verfolgen.
Prof. Acker-Palmer, Inhaberin der Professur für Molekulare Neurobiologie, ist international für ihre Pionierarbeit zur neurovaskulären Kommunikation anerkannt. Sie erhielt bereits mehrere prestigeträchtige Auszeichnungen, darunter einen ERC Advanced Grant. Ihre Forschung hat bereits gezeigt, wie vaskuläre Signale die neuronale Netzwerkbildung beeinflussen – nun wird sie diese Erkenntnisse auf die frühe Gehirnentwicklung ausdehnen.
Potenzial für Therapien gegen neurologische Erkrankungen
Die Ergebnisse könnten weitreichende Implikationen haben: Von der Aufklärung angeborener Entwicklungsstörungen bis hin zu Therapien gegen Demenz oder Schlaganfälle, bei denen neurovaskuläre Dysfunktionen eine Rolle spielen. „Dieses Projekt markiert einen Paradigmenwechsel: Es integriert Gefäß- und Hirnforschung auf eine Weise, die neue wissenschaftliche Felder eröffnen könnte“, kommentieren Experten. Die DFG betont, dass Koselleck-Projekte wie dieses die Grenzen der Wissenschaft erweitern und interdisziplinäre Ansätze fördern, insbesondere bei unterrepräsentierten Gruppen wie Frauen in der Forschung.
Ausblick und Kontakt
Das Projekt startet umgehend und wird die neurovaskuläre Forschung nachhaltig bereichern. Weitere Informationen finden sich auf der Website der Goethe-Universität: https://www.uni-frankfurt.de/178767283.
Kontakt:
Prof. Dr. Amparo Acker-Palmer, Institut für Molekulare Neurobiologie, Goethe-Universität Frankfurt.
Diese Förderung unterstreicht die Stärke der deutschen Grundlagenforschung und könnte den Weg für personalisierte Medizin in der Neurologie ebnen.
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