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Neues Modell revolutioniert Verständnis von Multipler Sklerose (MS)

Eine bahnbrechende internationale Studie unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg und der University of Oxford, veröffentlicht am 20. August 2025 in Nature Medicine, stellt das herkömmliche Verständnis der Multiplen Sklerose (MS) infrage. Anhand der Analyse umfangreicher Datensätze, darunter die NO.MS-Kohorte von Novartis, zeigt die Untersuchung, dass MS nicht durch starre Subtypen wie schubförmig oder progredient beschrieben werden sollte, sondern als dynamisches Krankheitskontinuum mit fließenden Zuständen. Dieser Ansatz könnte die Diagnostik und Therapie von MS grundlegend verändern und darüber hinaus für andere Erkrankungen wegweisend sein.

MS als dynamisches System

Die Studie nutzte ein KI-gestütztes, probabilistisches Modell, um MS als Abfolge von Zuständen mit spezifischen Übergangswahrscheinlichkeiten zu beschreiben. Basierend auf Daten von über 8.000 Patient*innen und mehr als 35.000 MRT-Aufnahmen aus mehreren Kohorten (NO.MS, Roche Ocrelizumab, MS PATHS) wurden vier zentrale Dimensionen identifiziert, die den Krankheitsverlauf präzise abbilden: körperliche Behinderung, Hirnschädigung, klinische Schübe und stille Entzündungsaktivität. Diese Dimensionen ersetzen die bisherigen Subtypen und zeigen, dass MS ein kontinuierlicher Prozess ist, bei dem frühe, milde Zustände über entzündliche Phasen in schwerere Stadien übergehen können. Ein direkter Sprung in fortgeschrittene Stadien ohne vorherige Entzündungsaktivität ist laut Modell nahezu ausgeschlossen.

Entzündungen als zentraler Treiber

Ein zentraler Befund der Studie ist die Rolle von Entzündungen – sowohl klinisch sichtbare Schübe als auch stille, symptomfreie Entzündungsprozesse – als entscheidender Faktor für die Verschlechterung der Erkrankung. Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit frühzeitiger und gezielter Therapieansätze, insbesondere bei Patient*innen mit hoher Entzündungsaktivität, die klinisch nicht immer offensichtlich ist.

Implikationen für Diagnostik und Therapie

Das bisherige Klassifikationssystem, das auf festen Subtypen basiert, hat oft den Zugang zu wirksamen Therapien erschwert, da Medikamentenzulassungen an diese Kategorien gebunden sind. Das neue Modell ermöglicht eine individualisierte Risikoeinschätzung, unabhängig von starren Subtypdefinitionen. Es bietet die Möglichkeit, den Krankheitszustand dynamisch zu überwachen und Therapieentscheidungen präziser zu treffen. Dies könnte insbesondere Patient*innen mit stiller Entzündungsaktivität zugutekommen, die bisher oft unzureichend behandelt wurden.

Breitenwirkung über MS hinaus

Die zustandsbasierte Modellierung, unterstützt durch künstliche Intelligenz, ist nicht nur für die MS-Forschung von Bedeutung. Die Methodik könnte auf andere neurologische und nicht-neurologische Erkrankungen übertragen werden, indem sie starre Krankheitskategorien durch flexible, datenbasierte Zustandsbeschreibungen ersetzt. Dieser Ansatz markiert einen Paradigmenwechsel in der Medizin, der die Grundlage für eine präzisere und individuellere Patientenversorgung schaffen könnte.

Nächste Schritte: Von der Forschung in die Praxis

Die Studie wurde bereits an externen klinischen und realweltlichen Datensätzen validiert. Der nächste Schritt besteht darin, die individualisierte Risikoabschätzung in die klinische Praxis zu integrieren. Dies könnte die Therapieplanung und Patientenaufklärung verbessern und langfristig die Zulassungslogik neuer Therapien beeinflussen. Prospektive Studien sind geplant, um die Anwendbarkeit des Modells im klinischen Alltag weiter zu prüfen.

Die Ergebnisse der Studie stellen einen Meilenstein in der MS-Forschung dar und könnten die Art und Weise, wie chronische Erkrankungen verstanden und behandelt werden, nachhaltig verändern.


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